BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 68

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Das Vertrauen der Bürger in das europäische Projekt neu festigen, heißt hier eine Schlagzeile. – Das Vertrauen in Europa hat in den letzten Jahren stark abgenommen. Allein bei den Ratifizierungsprozessen hat das Schiff Europa Schlagseite bekommen. Dass erst 13 EU-Mitgliedsländer die Europäische Verfassung in unterschiedlicher Form ratifiziert haben, zeigt eine Schwäche auf, die in den nächsten Monaten einer Lösung zugeführt werden muss.

Geschätzte Damen und Herren! Die Referenden in Frankreich und in den Niederlanden haben die Grenzen aufgezeigt. Die Menschen in Europa sind unzufrieden mit der Politik der Europäischen Union, aber auch mit der Politik der Regierungen der EU-Mitgliedsländer. Diese Unzufriedenheit kommt in Umfragen in den Mitgliedsländern deutlich zum Ausdruck. Es ist eine Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik und auch mit der Sozialpolitik, aber auch mit dem Tempo bei der EU-Erweiterung. Da muss das Vertrauen wieder hergestellt werden und ein Kurswechsel stattfinden.

Ein weiterer Punkt: Europa stärken und als verlässlicher Partner in der Welt be­weisen. – Ich hoffe, dass diese Formulierung nicht militärisch ausgelegt wird. Europa muss nicht in Kriegen wie jenem im Irak der starke Partner sein. Der Rückzug mehrerer Staaten bestärkt uns in der Überzeugung, dass Europa ein Friedensprojekt ist. Österreich hat die Aufgabe, die Friedenspolitik Europas wieder zu stärken.

Im Jahr 2006 sollen Verhandlungen über das Mandat einer neuen Menschen­rechts­agentur der Europäischen Union aufgenommen werden. Unsere Frau Bundes­minis­ter war ja in der Zeit von 1987 bis 1990 in der österreichischen Vertretung im Europarat tätig und kennt die Institutionen in Straßburg sehr gut. Bei der letzten Sitzung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates wurde der Schwede Thomas Ham­merberg zum neuen Menschenrechtskommissar des Europarates gewählt. Er über­nimmt am 1. Januar 2006 dieses verantwortungsvolle Amt.

Das Amt des Menschenrechtskommissars wurde 1999 eingerichtet. Aufgabe des Men­schenrechtskommissars ist es, die Ausbildung und die Sensibilisierung im Bereich der Menschenrechte sowie die Achtung der Menschenrechte in den Mitgliedstaaten zu fördern. Darüber hinaus soll er auch die vollständige Einhaltung der Texte des Euro­parates sicherstellen.

Weiters befindet sich in Straßburg der Sitz des Europäischen Gerichtshofes für Men­schenrechte. Das heißt: In Summe teilen sich drei Organe die Verantwortung, und zwar die Europäische Kommission für Menschenrechte, der Menschenrechtskom­missar, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Dazu kommt aber auch noch das Ministerkomitee des Europarates, das sich aus den Außenministern der Mitglied­staaten oder aus deren Stellvertretern zusammensetzt.

Bei der Schaffung einer Menschenrechtsagentur darf keine Zweigleisigkeit geschaffen werden. Die Koordinierung zwischen Brüssel und Straßburg ist da gefordert.

Während unserer EU-Ratspräsidentschaft haben wir beziehungsweise hat die Frau Außenminister die Möglichkeit, da einzuwirken und auch die Interessen des Euro­parates als Mitglied des Ministerkomitees zu vertreten.

Auf dem Weg zur letzten Sitzung der Parlamentarischen Versammlung des Euro­parates am 2. Oktober fuhr ich in Deutschland mit dem Auto – aber nicht mit 160 km/h, wie es Herr Minister Gorbach empfiehlt – und kam in einen Stau. Dabei hörte ich mir die deutschen Nachrichten an und musste vernehmen, dass unser Bundeskanzler sich mit dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan auf die Zustimmung Österreichs zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei geeinigt hat. Am Tag davor hörte ich in den österreichischen Nachrichten, Österreich stimme der Aufnahme der Beitrittsverhand­lungen mit der Türkei nicht zu. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) In den


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