BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 120

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15.59.15

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Art und Weise, wie Frau Kollegin Neuwirth ihre Rede begonnen hat, hat auch mich zu einem Sprichwort motiviert: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

In der Begründung des Einspruchsantrags und den einzelnen Debattenbeiträgen ist die kritische Haltung des Landes Vorarlberg zum Gesetzesbeschluss bereits ange­sprochen worden. Es ist in der Tat richtig, dass unser Land sofort nach Kenntnis des Vorhabens von sich aus die Parlamentsklubs über wesentliche Einwände und einen alternativen Lösungsvorschlag informiert hatte. In dem vom Sozialausschuss nach­geholten Begutachtungsverfahren wurde vom Land Vorarlberg die seinerzeitige Stellungnahme und Ablehnung bekräftigt.

Wenn nun beantragt wird, der Nationalrat möge sich mit dem Gesetzesbeschluss nochmals befassen, dann können wir drei Vorarlberger Bundesräte ungeachtet unterschiedlicher Fraktionszugehörigkeit an diesem Votum unseres Landes wohl nicht vorübergehen, wenngleich es sich nicht – und das muss man auch deutlich sagen – mit allen sonst vorgebrachten Einwänden deckt. (Beifall des Bundesrates Mayer sowie demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Keinen voreiligen Beifall, es kommen auch noch Passagen, denen Sie nicht applaudieren werden. (Zwischenrufe und Heiterkeit bei der SPÖ.)

Zum Wesen eines Bundesratseinspruchs gehört nicht notwendigerweise ein Verhin­derungswille. Für diesen Zweck ist der Einspruch bekanntlich auch gar nicht geeignet. Richtig verstanden ist er ein Hinweis an den Nationalrat auf vielleicht nicht ausreichend bedachte Gesichtspunkte, die man nochmals erwägen möge. (Bundesrätin Bachner: So ist es!) Es steht dem Nationalrat nach dem Konzept unserer Bundesverfassung frei, darauf einzugehen oder zu keiner anderen Einschätzung als bei der ersten Willens­bildung zu kommen. Durch das im Bundesrat nachgeholte Begutachtungsverfahren ist möglicherweise ein umfassenderes Meinungsbild zu Tage getreten, als es vorher bekannt war.

Die Länder haben sich in völlig unterschiedlicher Weise geäußert: manche ablehnend, manche ausdrücklich zustimmend, manche überhaupt nicht. Aus dieser Interessenlage kann für eine Länderkammer naturgemäß ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten der Länder folgen. Vorarlberg hat eben eine andere Einschätzung als beispielsweise sein Nachbarland Tirol. Wenn wir schon eine Länderkammer sind oder jedenfalls sein sollten oder wollen, dann ist das ebenso wie in Deutschland oder in der Schweiz ein eigentlich völlig unaufgeregt zu betrachtender Vorgang.

Ich schätze es sehr, dass die Fraktion der Österreichischen Volkspartei stark genug ist, mit dieser landesspezifischen Freiheit umgehen zu können. Wir nutzen sie allerdings, und das ist ein wesentlicher Unterschied zu Ihnen, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten und von den Grünen, auf der Grundlage eines festen Grund­vertrauens zur Bundesregierung und zur Nationalratsmehrheit, das die Vorarlberger Bevölkerung bei der Landtagswahl vor einem Jahr mit einer klaren Stimmen- und nicht nur Mandatsmehrheit als richtig angesehen hat.

Man kann natürlich argumentieren – und einzelne Länder sehen das offenkundig auch so –, es berühre die Länder eigentlich gar nicht, wie der Bund die Wahrnehmung seiner Aufgaben organisiere, so lange er damit nicht in Zuständigkeiten der Länder eingreife. Das tut er tatsächlich nicht, aber er berührt sie maßgeblich. Familienpolitik einschließlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die sich nicht trennen lässt, ist eine Aufgabe, die auch von den Ländern mit großer Intensität wahrgenommen wird.


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