Bundesrat Stenographisches Protokoll 730. Sitzung / Seite 19

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Es gibt natürlich in jedem kritisierbaren Gesetz auch etwas, worüber man sagen muss: Wenigstens, danke! Der Sitzenbleiberpassus wurde zumindest – danke! – abgemildert, aber er wurde nur abgemildert und ist nach wie vor in der Form völlig unbrauchbar, nämlich menschlich, pädagogisch und ökonomisch. Jetzt muss es eine positive Note in der fünften Schulstufe geben. Ich denke, dass wir hier ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Ist das so ein Unglück?)

Nein, aber wir setzen diese Familien unter einen enormen Druck! Sie legen ein Schul­paket vor, worin von den 800 geforderten Stützlehrern 300 bewilligt werden – nur 300 von 800 dringend benötigten Stützlehrern! Wenn ich nicht A sage, dann kann ich nicht B fordern, Herr Kollege Kühnel! Sie fordern B und leisten nicht das, was bei A notwen­dig ist, nämlich Stützlehrer und entsprechende Angebote. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bundesrat Dr. Kühnel: Ja wenn Sie nicht einen ...!)

Herr Kollege Kühnel! Einbürgerung und Integration, die sich nur auf Druck auf Minder­jährige begründen, sind unanständig! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Wenn ich jetzt noch davon ausgehe, dass es durchaus Fami­lien mit unterschiedlichen Staatsbürgerschaften gibt – wir leben in einer mobilen Ge­sellschaft, alles gibt es –, dann ist das etwas, worüber wir denken müssen: Was laden wir da auf Familien ab? – Natürlich hat Integration die Sprache Deutsch zur Vorausset­zung, aber da muss ich mehr als nur einen Bestrafungsakt für Jugendliche machen.

EhegattInnen: Die Wartefrist kann nun elf Jahre dauern – elf Jahre, sie kann elf Jahre dauern! (Ruf bei der ÖVP: Kann! Das kann sie!) Fünfjährige Ehebestandspflicht: Wo­hin drängen wir denn diejenigen, die nach vier Jahren sagen: wir können nicht, wir waren die Falschen!, so wie viele Österreicher und Österreicherinnen schon nach ein paar Monaten feststellen, dass sie die falsche Partner- und Partnerinnenwahl getroffen haben. Dann gilt das alles nicht! Wir verlangen von solchen Beziehungen: „Pickt fünf Jahre zusammen!“, weil es keine Änderungen, keine Ausnahmen, nichts Berücksichti­gungswürdiges gibt. Wir gehen nicht auf das Faktum ein, dass auch Integrationssu­chende einmal eine gescheiterte Beziehung haben können. Das gibt es nach diesem Gesetz nicht.

Es gibt nach diesem Gesetz auch etwas nicht, was es bisher gab und was sogar der Verwaltungsgerichtshof eingemahnt hat: dass es für Menschen in Notlage eine Aus­nahme seitens der Behörde gibt. Jetzt gibt es keine Ausnahmen mehr!

Meine Damen und Herren! Jetzt kommt die größte Absurdität; oder ich weiß ja nicht, was man da noch überbieten kann, ich glaube, die Minderjährigen stehen ganz oben. Wir alle fordern Mobilität, Mobilität, Mobilität! Wenn nun jemand zehn Jahre auf die Staatsbürgerschaft wartet, aber aus beruflichen Gründen einen Superjob bekommt – meinetwegen pendelnd, oder irgendwie in München oder in Düsseldorf –, und wenn sich derjenige mehr als „20 von Hundert“ dort aufhält, ist die Wartefrist weg. Wenn er den Job nach sechs Jahren hat, weil ihm die österreichische Firma sagt: Jetzt geh bitte in die Schweiz!, oder sonst wohin, dann ist das weg! Es ist weg! Er darf das nicht unterbrechen.

Sind wir ein Gefängnis? Oder was sind wir hier eigentlich? – Nehmen wir bei Beziehun­gen, bei Jobs Rücksicht darauf, dass es „Mobilitäten“ gibt, wenn ich das bei Beziehun­gen einmal so sagen darf? Das gibt es alles, aber dieses Gesetz verstößt dagegen: Dieses Gesetz berücksichtigt das nicht.

Weiters finde ich es auch seltsam, dass man dem Forschungs- und Wirtschaftsstand­ort, vor allem dem Wissenschaftsstandort Österreich mit diesem Gesetz fast einen Todesstoß versetzt. Es geht nämlich darum: Was ist „niedergelassen“? – Jetzt steht da drin: Als „Niederlassung“ zählt es nicht für Studierende, Schüler und Schülerinnen, Künstler und Künstlerinnen; die können meinetwegen zehn Jahre im Musikverein diri-


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