Bundesrat Stenographisches Protokoll 730. Sitzung / Seite 78

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Ich möchte zum Volkszählungsgesetz, in dessen §§ 10, 11 und 12 in der gesamten Fassung die geheime Erhebung der Muttersprache geregelt wird, festhalten, dass es mich wirklich freut, dass die Verfassungsbestimmung über die geheime Erhebung der Muttersprache, auch Minderheitenfeststellung genannt, abgeschafft worden ist. Das ist sicherlich für die österreichischen Minderheiten ein wirklich positiver Punkt, obwohl es in Kärnten anders ausschaut.

In Kärnten ist dieses Thema aktueller denn je. Obwohl der Nationalrat einstimmig – das heißt, auch mit den Stimmen des BZÖ – beschlossen hat, eine Verfassungsbestim­mung über die geheime Erhebung der Muttersprache abzuschaffen, verlangt der Lan­deshauptmann von Kärnten erneut eine Minderheitenfeststellung in Kärnten. Von dieser Minderheitenfeststellung soll das Aufstellen von zweisprachigen Ortstafeln, die Volksgruppenförderung und das Minderheitenschulwesen abhängig gemacht werden. Es soll über Minderheitenrechte, die schon über 50 Jahre lang bestehen und die im Staatsvertrag, im Artikel 7, verankert sind, abgestimmt werden.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Mehrheit bestimmt über die Min­derheit: Das ist für mich absurd, unverständlich und nicht akzeptabel!

Der Politologe Fritz Plasser meinte im „Standard“, dass das, was der Landeshaupt­mann von Kärnten in der Ortstafelfrage in Kärnten macht – ich zitiere –, ein „Teil eines taktischen Inszenierungs- und Eskalationskonzepts“ ist. Er sagt auch, dass der Orts­tafelstreit „nicht zufällig“ passiert und eskaliert: „Haiders Ziel ist es, ein katastrophales Ergebnis des BZÖ“ bei den nächsten Nationalratswahlen „zu vermeiden“. – Ich kann Professor Plasser nur beipflichten.

Der Landeshauptmann von Kärnten will von wichtigen Themen – ich nenne zum Bei­spiel die Arbeitsplatzsicherung, ich nenne auch eine bessere Wirtschaftslage – ablen­ken. Er polarisiert auf dem Rücken der Minderheit und will dadurch ein Grundmandat in den Bezirken Wolfsberg, Völkermarkt und St. Veit erzielen. Es geht ihm um Macht und um das Überleben des BZÖ. Haiders Position ist offensichtlich sehr prekär; die mo­mentanen Meinungsumfragen zeigen für Kärnten folgendes Bild: 8 bis 10 Prozent FPÖ, 16 bis 18 Prozent BZÖ. – Ich bin mir sicher, dass die Wählerinnen und Wähler in Kärnten Haiders Taktik durchschauen, denn sie ist so durchsichtig, dass sie scheitern wird.

Die Erhebung der Muttersprache oder Umgangssprache der Bevölkerung sollte in mo­dernen demokratischen Rechtsstaaten im Rahmen regulärer Volkszählungen – und nicht durch geheime Erhebung stattfinden. Die bisherige Art und Weise der geheimen Muttersprachenregelung wurde nicht ohne Grund als geheime Minderheitenfeststellung gedeutet. Ihre Umsetzung diente dazu – und das droht auch noch heute; Kärnten ist leider ein Beweis dafür –, dass durch geheime Zählung die Zahl der Angehörigen einer sprachlichen oder kulturellen Minderheit festzustellen ist, um Rechte dieser Minderheit von ihrer quantitativen Größe abhängig zu machen. – Moderner Minderheitenschutz versteht sich allerdings als Schutz des Minderheitenangehörigen als Individuum, unab­hängig von der zahlenmäßigen Größe der Minderheit!

In den Erläuterungen hiezu wird angeführt, dass dies wegen der Volksgruppenförde­rung und des Minderheitenschulwesens notwendig sei. – Auch das scheint mir völlig absurd zu sein. Der Zugang zum Schulwesen ist nämlich frei, und nicht zuletzt wegen der von Österreich ratifizierten Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates darf die ethnische Zugehörigkeit weder nachgefragt noch überprüft werden.

Ich meine, dass wir unter völlig neuen Rahmenbedingungen leben. Vier von sechs ös­terreichischen Volksgruppensprachen sind EU-Sprachen; somit bekommt das Erlernen dieser Sprachen eine völlig neue Dimension. Die österreichische Wirtschaft braucht


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