Bundesrat Stenographisches Protokoll 730. Sitzung / Seite 96

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und andere Erfahrungsmöglichkeiten, die gerade im Mittelstufenbereich, in der Sekun­darstufe I derzeit, glaube ich, nicht ausreichend zur Verfügung stehen.

Ich denke, man muss in diesem Fall auch auf ganztägige Schulformen zurückgreifen. Eine Schule, die sich verpflichtet fühlt, Bildungschancengleichheit, von der wir alle im­mer reden, für alle Schüler und Schülerinnen auch in die Tat umzusetzen, muss eben auch aus diesem Grund eine Ganztagsschule sein. Damit meine ich nicht eine Ganz­tagsschule so quasi als Aufbewahrungsstätte, als Wärmestube, wo die Lehrer dann so ein bisschen GOs spielen; das ist hier nicht gemeint. Eine Ganztagsschule mit einer völlig neuen Rhythmisierung des Tages, einer neuen Einteilung des Unterrichts und des Förderteils ist hier gefragt.

Der Lernerfolg darf nicht abhängig sein vom Bildungsstand der Eltern, von ihrer Befähi­gung zum Ergänzungslehrer und ihren finanziellen Möglichkeiten, den Kindern Nachhil­festunden geben zu können, sondern wir wollen die bestmögliche Bildung, Ausbildung, Qualifikation für alle Schüller, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und davon, wie viel Geld ihre Eltern im Geldtascherl haben.

Das ist unser Zugang, und deswegen brauchen wir ganztägige Schulformen, um die Chancengleichheit auch herzustellen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Baier.) Ge­rade PISA-Befunde haben hier erschreckende Ergebnisse gezeigt: Die Schulleistungen in Österreich sind, Sie brauchen es nur nachzulesen, mehr als in jedem anderen unter­suchten Land von der sozialen Lage der Jugendlichen, sprich von der sozialen Lage der Eltern abhängig.

Das heißt, Kinder aus sozial benachteiligten, Kinder aus bildungsferneren Schichten haben in Österreich geringere Bildungschancen als in allen anderen Ländern. Das sollte uns sehr wohl zu denken geben.

Der österreichische Sonderweg, Kinder früh nach Leistung oder Begabung zu sortie­ren, erfüllt offensichtlich nicht – siehe PISA; bei allen Schwachstellen, die PISA haben mag – die Erwartungen, die damit verbunden werden. Frühe Selektion führt weder zur besonderen Förderung von Spitzenleistung noch dazu, dass die Fähigkeiten weniger lernstarker Kinder entsprechend gefördert werden oder diese Kinder zumindest eine solide Basisqualifikation erreichen.

Die Frage, die sich jetzt hier stellt, ist: Gelingt uns in Zukunft eine Schulpolitik im Kon­sens? Gelingt uns eine mutige, zukunftsorientierte, eine wirklich auf PISA Antwort ge­bende Politik? Denn wenn man jetzt die Wiederholungsprüfungen von der ersten Schulwoche in die letzte Ferienwoche verlegt, so ist das, denke ich, nicht die Antwort auf PISA. Das ist, glaube ich, nicht das, was wir wollen. Das ist nicht die Konsequenz.

Und dass Schule stattfinden muss – no na, natürlich muss Schule stattfinden. Es war bisher schon ein Auftrag jedes Schulleiters, Schule stattfinden zu lassen. Unterricht hat stattzufinden, das braucht man nicht unbedingt in solch ein Gesetz zu schnüren. Das sind für mich Selbstverständlichkeiten.

Hier sind jetzt andere Konsequenzen gefragt. Mit dem Schlagwort von Hartmut von Hentig „Schule neu denken“, was offenbar schwierig genug ist, ist es sicherlich nicht getan. Politik neu denken, das wäre im politisch seit Jahrzehnten lahm gelegten Schul­bereich gefragt. Doch es müssten diese uralten ideologischen Reflexe und diese par­teipolitischen Punzierungen erst einmal überwunden werden, um die längst anstehen­den Reformen hier wirklich in Gang zu bringen.

Ich darf noch einen Entschließungsantrag einbringen:

 


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