Bundesrat Stenographisches Protokoll 731. Sitzung / Seite 64

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Ländern sehr hoch ist, kann man sich vorstellen, was in letzter Konsequenz dagegen sprechen wird.

Ich habe generell den Eindruck, dass dieses Europa von ganz massiven Änderungen betroffen ist. Es gibt eine große Gruppe, die davon ausgesperrt ist, diese Änderungen mit zu tragen: Das sind die Bevölkerungen der Mitgliedsländer. Ganz besonders schlimm ist es in Österreich.

Vor gut zehn Jahren war es so, dass eine Volksabstimmung über den Beitritt zur EU mit einer Reihe von wirklich falschen Versprechungen und unhaltbaren Tatsachen durchgepeitscht wurde. Die Bevölkerung hat damals vertraut auf das, was versprochen wurde, begonnen damit, dass der Schilling nicht abgeschafft wird und dieses Europa­geld eine reine Erfindung ist, bis hin zu der Erfindung, dass die Österreicher sich jedes Jahr viel Geld durch diesen Beitritt sparen werden und Milch und Honig fließen werden. Faktum ist heute, dass Österreich die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik hat, Faktum ist weiters, dass die ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Das stimmt schon über­haupt nicht, Herr Kollege!)

Aber, Herr Kollege, Sie können ganz einfach in der APA nachschauen: Wir haben knapp 400 000 Arbeitslose, wenn man die Vielzahl von Personen hinzurechnet, die in diversen Schulungen versteckt sind. Ab diesem Zeitpunkt, als die Österreicher mit einem Vertrauensvorschuss in diese EU hineingetäuscht wurden, war es vorbei mit der Demokratie. Es war vorbei damit, als der Schilling abgeschafft wurde, es war vorbei damit, als die erste große Runde der Osterweiterung vollzogen wurde. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Aber der Euro hat schon seine Vorteile!)

Naja, zum Euro muss man sagen – das hat die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ jüngst gut festgehalten –: Was damals ein Euro in Schilling im Verhältnis war, ist heute nur mehr 84 Cent wert. Da gibt es interessante Untersuchungen: Wenn Sie den Warenkorb neu arrangieren und eine Vielzahl von Sachen, die man ab und zu braucht, nicht hinein nehmen – einen Computer oder ein Auto –, sondern diesen auf den Bereich der tat­sächlich lebensnotwendigen Dinge reduzieren, wie Lebensmittel, Wohnung, Medika­mente, dann werden sie draufkommen, dass die Teuerungsrate um die 30 Prozent beträgt. Wenn das ein Vorteil sein soll, bleibt es Ihnen unbenommen, für mich und die meisten Österreicher ist es ein gravierender Nachteil.

Es war jedenfalls Schluss mit der Demokratie bei der ersten großen Osterweiterungs­runde, es war Schluss mit der Demokratie in Österreich, als grünes Licht für Verhand­lungen über einen EU-Beitritt mit der Türkei erteilt wurde. Es war Schluss bei der EU-Verfassung, es ist Schluss bei der jetzigen Erweiterungsrunde, es wird auch Schluss sein – so befürchte ich – bei der kommenden Erweiterungsrunde, bei der Albanien, Serbien, Montenegro und weitere bereits in der Wartehalle befindlich sind.

Und es war Schluss damit, als Bundeskanzler Schüssel erst jüngst die Mitgliedsbei­träge der Europäischen Union verdoppelt hat. Es war auch Schluss damit, als Ratsprä­sident Schüssel in Straßburg bei seiner Antrittsrede gleich einmal festgehalten hat, dass eine neue EU-Steuer für ihn ein Thema ist.

Ich halte fest: Diese Europäische Union ist auf dem falschen Dampfer unterwegs. Sie gefährdet den an sich wichtigen Prozess der europäischen Einigung als Friedens­projekt, als wirtschaftliche Union, als Gemeinschaft gleichberechtigter Völker und opfert diesen wichtigen Einigungsprozess den Interessen der Großkapitalisten, den Interes­sen der multinationalen Konzerne und den Interessen jener, die versuchen, bei einer Osterweiterung noch billiger zu produzieren und noch weniger Sozialstandards in An­griff nehmen zu müssen.

 


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