Bundesrat Stenographisches Protokoll 731. Sitzung / Seite 72

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finde ich es, dass sich Bundesrat Vilimsky zwar kurz zum Beitritt von Bulgarien und Rumänien äußert, aber dann ausschließlich über Österreich redet. Auch wenn wir hier im österreichischen Parlament sind, so ist das eine europäische Materie. Ich finde, das würde es schon rechtfertigen, ein bisschen mehr auf die Situation dieser Länder ein­zugehen und das Ganze nicht ausschließlich aus dem nationalen Blickwinkel zu be­trachten. (Beifall bei den Grünen.)

Dass es in Bulgarien und auch in Rumänien durchaus noch Handlungs- und Reformbe­darf gibt, das haben Vorredner und Vorrednerinnen schon dargelegt; das ist ganz klar. Das ist auch im Monitoring-Bericht der Kommission klar zum Ausdruck gekommen. Ich möchte kurz auf einen Punkt eingehen, der auch in diesem Bericht genannt wurde, nämlich die Frage der Integration der Roma, die in beiden Ländern noch nicht so funk­tioniert, wie sie funktionieren sollte. Man ist weit von einer echten Integration entfernt.

Generell sind Roma in allen Ländern in Europa eine der am stärksten diskriminierten Minderheiten, und in allen Ländern, für die Statistiken oder Umfragen vorliegen, haben Roma einen deutlich niedrigeren Bildungsstandard, eine viel höhere Arbeitslosigkeit und ein wesentlich geringeres Einkommen wie auch einen schlechteren Gesundheits­zustand als der Rest der jeweiligen Bevölkerung, was jetzt für Bulgarien und Rumänien im Speziellen zutrifft, weil diese beiden Länder einen relativ großen Anteil an Roma ha­ben. Der Anteil von Roma-Kindern in Sonderschulen ist in diesen Ländern überdimen­sional hoch. Das heißt, es ist für Roma-Kinder kaum möglich, einen normalen Zugang zum Bildungssystem zu haben. Das hat die Folgen, die wir kennen: Wenn man im Bil­dungssystem nicht verankert ist, nicht die entsprechenden Chancen hat, wird man auch den Rest seines Lebens nie die gleichen Chancen haben wie andere Mitbürger.

Roma leben auch in Bulgarien und Rumänien oft in benachteiligten Gebieten mit schlechter Wohnqualität. Es fehlen oft die grundlegendsten Dienstleistungen, und es gibt begrenzten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Die Gebiete, in denen Roma leben, sind teilweise schon slum-ähnlich, muss man sagen.

In einer Studie der Europäischen Kommission habe ich zwei Zahlen gefunden: 65 Pro­zent der in Rumänien befragten Roma und 45 Prozent der in Bulgarien befragten Roma leben in einer Wohnung ohne fließendes Wasser. Solche Zustände sind ein ganz klares Indiz dafür, dass die Integration dieser Bevölkerungsgruppe bei weitem noch nicht so fortgeschritten ist, wie es zu erwarten ist. Diesbezüglich gibt es massiven Nachholbedarf für diese beiden Länder.

Allerdings gibt es auf EU-Ebene eine ganze Reihe von Projekten, die genau eine bes­sere Integration der Roma und auch mehr Chancen für Roma-Minderheiten zum Ziel haben. Zum Beispiel wurde die Initiative „Dekade zur Eingliederung der Roma 2005–2015“ gestartet.

Ich möchte jetzt, ganz abgesehen von allen wirtschaftlichen Aspekten, die der Beitritt für diese beiden Länder hat, die Kollege Ager schon angeführt hat, Folgendes sagen: In Bulgarien und auch in Rumänien gibt es Fortschritte. Diese beiden Länder bemühen sich, die Situation langsam – aber sie gehen es wenigstens an – für diese Bevölke­rungsgruppe endlich zu verbessern. Allein dieser Wille ist dadurch begründet, dass diese Länder Mitglieder der Europäischen Union sein wollen.

Das ist für mich nach wie vor eines der stärksten Argumente dafür, auch solche Länder aufzunehmen, und das ist auch ein Argument, das man dann in Hinblick auf den Türkeibeitritt wird diskutieren müssen. Es bedeutet für Minderheiten, für diskriminierte Gruppen in diesen Ländern auf jeden Fall eine Verbesserung, das im Sinne einer Völ­kergemeinschaft anzugehen. Es muss daher auch in unserem Interesse sein, die Situ-


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