Bundesrat Stenographisches Protokoll 733. Sitzung / Seite 52

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Diese wird nach Aussagen unserer estnischen Freunde im Mai oder Juni abgeschlos­sen sein, also noch während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. Gleiches gilt für Finnland. Ich glaube, dass das bemerkenswerte Anzeichen sind.

Ich sage nicht, dass damit eine Lösung möglich sein wird – einige von uns sind Juris­ten und wissen, wie komplex die völkerrechtliche Situation ist –, aber trotzdem bin ich zuversichtlich, denn wir reden wieder über dieses Projekt „Verfassungsvertrag“. Es geht nämlich auch um den Verfassungs-Prozess – nicht nur um einen Text und sein juristisches Schicksal. Und gerade deswegen ist mir der Hinweis auf das europäische Lebensmodell so wichtig – weil da auch wieder ein Weg führt zu den Grundsätzen und zu den Werten, die wir gemeinsam haben und die keiner – auch nicht in dieser laufen­den Diskussion – in Wirklichkeit in Frage gestellt hat.

Das ist für mich ein bemerkenswertes Teilergebnis, das ich während dieser Nachdenk­pause auch einmal anmerken möchte. Leider wird es auch gerne schlecht gemacht. Ich meine: Wenn wir nicht dauernd schlecht über Europa reden und über die Möglich­keiten, die wir haben, und über das, was wir erreicht haben, dann werden wir schon dadurch einen Beitrag dazu leisten, dass eine Klimaverbesserung und damit auch eine Erhöhung des Schwunges in das europäische Projekt kommt.

Mehrere Redner haben das Thema „EU-Beitritt der Türkei“ angesprochen, unter ande­ren auch Sie, Herr Bundesrat Schennach, und ich darf Ihnen sagen: Ich bin mit Ihnen nicht einer Meinung, wenn Sie sagen, dass aus dem Außenpolitischen Bericht 2004 ganz klar hervorginge, dass die Türkei von Österreich nichts zu erwarten habe. So haben Sie es formuliert. – Meiner Meinung nach ist das unzutreffend! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte zu diesem Punkt ganz ausdrücklich festhalten: Ich möchte nicht, dass mein Beitrag zur Entscheidung des 3. Oktober missverstanden und uminterpretiert wird. Ich habe mich immer für eine enge und dynamische Partnerschaft mit der Türkei ein­gesetzt; die Beitrittsverhandlungen haben begonnen; die strategische Entscheidung wurde getroffen.

Ich hätte mir mehr Differenzierungsmöglichkeit, das konkrete Ansprechen einer Alter­nativ-Variante vorstellen können – eine Vorstellung, die übrigens mittlerweile von brei­ten Kreisen geteilt wird und wo in der langfristigen Perspektive ganz bewusst auch ein Beitritt der Türkei nicht ausgeschlossen wird. Das habe ich immer gesagt.

Die Geschichte hat entschieden: Die Beitrittsverhandlungen laufen, aber wir sehen – und Sie haben ja einige der Beispiele erwähnt, die uns Sorge machen – im Alltag, was hier an Transformationsarbeit ansteht, und zu dieser Transformationsarbeit leisten wir als Europäische Union unseren Beitrag. Aber wir dürfen unsere Augen nicht verschlie­ßen vor den Verschärfungen in den verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen, etwa im Anti-Terrorbereich oder auch im Bereich der häuslichen Gewalt. Das sind Themen, die uns beschäftigen, die wir im politischen Dialog mit unseren türkischen Partnern sehr direkt und sehr offen vorbringen, denn nur so können wir zu einer positiven Verän­derung im Sinne dessen, was wir uns unter einer „europäischen Türkei“ vorstellen, bei­tragen.

Nun möchte ich auch hineingehen in das Thema „Europäische Union und der Islam“, das hier ebenfalls angesprochen wurde.

Mein Anliegen war und ist es – ich möchte es gerne hier wiederholen –, innerhalb der Europäischen Union ganz hartnäckig für zwei Aspekte zu werben: nämlich einerseits die Hand auszustrecken in die islamische Welt hinaus zu unseren Partnern, um klarzu­stellen, was unser Beitrag ist, was unsere Vorstellungen sind, und um da zu einer


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite