Bundesrat Stenographisches Protokoll 733. Sitzung / Seite 70

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Ich habe mich mit Ärzten unterhalten, und Ärzte begrüßen diese Regelung sehr. Ich hatte selbst in meiner Familie so einen Fall, meine Damen und Herren. Vor sechs Jah­ren, am 6. August 2000, ist meine Tochter bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Ihr Gatte – sie waren damals drei Monate verheiratet – lebt noch immer, hat aber nie das Bewusstsein wiedererlangt und liegt in einem Wachkoma. Zweimal hat er eine ziemlich starke Entzündung gehabt, und die Ärzte haben alles daran gesetzt, ihn zu retten. Sie haben es als ihre Pflicht betrachtet, dass man diesem Menschen helfen muss. Das ist ihre Verantwortung und auch ihre Verpflichtung.

So ein Gesetz, meine ich, würde da manchen Arzt, der gewissenhaft handelt, entbin­den, weil er sagen könnte: Bitte, es gibt eine Patientenverfügung, und ich kann ge­wisse Geräte, Apparate, die einen Menschen künstlich am Leben erhalten können, ab­schalten.

Ich habe mit einem bekannten Chirurgen gesprochen. Er hat mir etwas erzählt, was mich auch beeindruckt hat. Bei dem betreffenden Menschen sind ja, wenn er eine sol­che Verfügung notariell beglaubigen lassen muss, auch bestimmte Motive gegeben, er handelt aus bestimmten Gründen. Da spielen die Umgebung, die Wohnung, die Ver­wandtschaft, die Gespräche, die er führt, also nicht nur die Erkrankung eine Rolle, son­dern da spielen viele Faktoren mit. Dieser Chirurg hat mir erzählt, dass er ein Dutzend Selbstmörder behandelt hat. Er hat von einem erzählt, der von einem Balkon gesprun­gen ist und zerschmetterte Knochen hatte.

Aber alle diese Menschen wollten weiterleben. Ein Selbstmörder wird da ja nicht in Be­tracht gezogen. Aber das ist ein Gesetz, das notwendig ist, aber es ist natürlich eine heikle Sache. Ich wundere mich, dass die Sozialdemokraten heute nicht zustimmen, denn man müsste froh sein, dass solch eine Regelung getroffen wird.

Nur die zwei Gründe, nämlich dass man das nicht registrieren kann und der finanzielle Aspekt, wären für mich nicht ausreichend, so eine Möglichkeit abzulehnen. Ich be­grüße dieses Gesetz unbedingt, auch wenn es ein paar Probleme gibt. Gerade ältere Leute unterschreiben oft so eine Verfügung – kann ich mir vorstellen – nur deswegen, um im Ernstfall niemandem zur Last zu fallen.

Auch in der Realität ist es damit für den Betreffenden, aber auch für den Arzt möglich, für Unglücksfälle gewisse Details abzuklären. Wann will ich nicht mehr wiederbelebt werden? Wann ist für mich der Zeitpunkt da, an dem ich dem Arzt sage: Jetzt reicht es!? Der Verfasser einer Patientenverfügung ist bei tatsächlichem Eintreten des Krank­heitsfalles ja nicht mehr handlungsfähig und daher auf die Interpretation des Arztes an­gewiesen.

Insgesamt, ich sage es noch einmal, ist das ein schwieriges Thema mit vielen Fragen und Problemen. Es ist richtig, dass dieser Gesetzesvorschlag behandelt wird und dass wir ihm unsere Zustimmung geben. Es ist aber auch richtig, dass es eine dreijährige Probephase gibt. Darüber werden wir uns später noch einmal unterhalten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Mitterer und Ing. Kampl.)

12.50


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


12.50.35

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister Gastinger! Sehr geehrte Frau Minister Rauch-Kallat! Geschätzte Damen und Herren! Die vorliegende Gesetzesmaterie betrifft eine sehr heikle und emotionale Phase in unserem Leben, wie es auch schon Kollege Krit­zinger ausgeführt hat. Wie heikel das sein kann, zeigt sich insbesondere dann, wenn


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