Bundesrat Stenographisches Protokoll 733. Sitzung / Seite 78

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gegen holländischen Bestrebungen immer eine ganz klare Haltung eingenommen hat, was die Sterbehilfe anlangt, gleichzeitig aber auch die Meinung vertreten hat: Nicht durch die Hand eines Menschen, sondern an der Hand eines Menschen wollen wir aus dem Leben scheiden, und die Sterbebegleitung sehr ernst genommen hat – und daher natürlich auch die Frage: Wieweit ist die Selbstbestimmung des Patienten in dieser letzten Lebensphase, auch wenn er möglicherweise nicht mehr artikulationsfähig ist, sicherzustellen? Es hat auch einen klaren Auftrag des Parlaments an das Gesund­heits- beziehungsweise Sozialministerium gegeben. Die Arbeit wurde von Bundesmi­nisterin Sickl und dann von Bundesminister Haupt aufgenommen und von mir dann übernommen. Als wir vor eineinhalb Jahren diesen Gesetzesantrag sozusagen von meinem Haus her fertig hatten, sind wir in eine intensive Diskussion mit dem Justizmi­nisterium eingetreten, die wir sehr, sehr ernst genommen haben. Es ist heute schon mehrfach angesprochen worden: Es ist ein extrem diffiziles Thema.

Nachdem wir vor eineinhalb Jahren geglaubt hatten, wir hätten jetzt nach sehr viel Ko­ordination mit allen Organisationen, die in diesem Bereich schon seit vielen Jahren tätig sind, also mit den Hospizorganisationen, die bestmögliche Variante gefunden, sind wir zu jenem späteren Zeitpunkt, nach der ersten Diskussion mit dem Justizminis­terium, wieder mit Expertinnen und Experten – wir hatten auch Teilnehmer des Ethik­beirates, die bei unseren Gesprächen und Sitzungen dabei waren –, zu der Auffassung gelangt, dass wir eigentlich noch gar nichts wissen.

In diesen eineinhalb Jahre dauernden Diskussionen sind so viele Aspekte aufgetaucht, etwa was die Frage betrifft, wie man sicherstellen kann, dass einerseits die größtmög­liche Freiheit und Selbstbestimmung des Patienten gewährleistet sind, aber anderer­seits auch die mögliche Meinungsänderung des Patienten oder der Patientin in der letzten Lebensphase berücksichtigt werden kann, denn offensichtlich ist es so – und die Beispiele, die heute hier gebracht wurden, zeigen es –, dass man dann, wenn es einem sehr schlecht geht – Gott sei Dank, als Selbstschutz – einen ungeheuren Über­lebenswillen entwickelt. Sogar Selbstmörder wollen dann wirklich überleben.

Daher: Wir wissen so vieles in diesen Fragen nicht! Wir haben uns in diesen Gesprä­chen in einer sehr, sehr guten Zusammenarbeit mit dem Justizministerium sehr be­müht, und ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich nicht nur bei der Frau Minis­terin selbst, sondern auch bei ihren Beamtinnen und Beamten, genauso natürlich bei meinen Beamtinnen und Beamten und bei allen Expertinnen und Experten, die in die­sem langen Prozess mit beraten haben, für das, was heute vorliegt, bedanken. Ich sage Ihnen, es ist bei unserem derzeitigen Wissens- und Diskussionsstand die opti­male Form, auch wenn sie vielleicht aus mancher Sicht suboptimal ist. Aber wir wissen noch nicht, wie sich das entwickeln wird. Auch die Patientenanwaltschaft war nicht sofort im Gespräch, sondern wir haben überlegt: Wie können wir sicherstellen, dass nicht drängende Erben die Oma und den Opa zum Unterschreiben zwingen?, oder was immer. Wir sind in diesem Gespräch um vieles klüger geworden, wir sind aber noch absolut unwissend, wie sich dieses Gesetz bewähren wird, wie es angenommen wer­den wird, wie es sich entwickeln wird.

Daher bedanke ich mich bei allen, die diesem Gesetz jetzt zustimmen, bedanke mich bei allen, die diesen Weg mit uns bis hierher gegangen sind, und bitte sie, nämlich die Expertinnen und Experten, diesen Weg mit uns weiterzugehen mit dieser Evaluierung, die wir in drei Jahren vornehmen wollen, wo wir sehen werden, wie sich das entwi­ckelt. – Wenn Sie mich persönlich fragen: Ich glaube, dass es relativ wenige verbind­liche, nämlich absolut verbindliche Patientenverfügungen geben wird, meine aber, dass die Zahl der hoch beachtlichen stark steigen wird. Das heißt, auch eine verbindliche Patientenverfügung, die nach fünf Jahren nicht erneuert wird, ist keine verbindliche mehr, sondern nur mehr eine beachtliche, aber sie ist natürlich in einem weitaus höhe-


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