Bundesrat Stenographisches Protokoll 734. Sitzung / Seite 104

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Die Herren, die dafür die Verantwortung zu tragen haben, werden sich ganz offensicht­lich in ihrer Mehrzahl auch strafrechtlich für ihre Verhaltensweisen zu verantworten haben. Die Entscheidung darüber, wer von ihnen sich gegenüber welchen Beschuldi­gungen zu verantworten hat, ist nicht politisch zu treffen, sondern von den Strafverfol­gungsbehörden und letztlich von den Richtern. Die Verantwortlichen haben sich außer­dem ganz offensichtlich auch einer zivilrechtlichen Haftung ausgesetzt. Wenn die Pha­se der strafgerichtlichen Beurteilung über die Bühne sein wird, dann wird in der Folge allenfalls die Frage nach Haftungen, der Herausgabe von Vorteilen, die illegitim erlangt wurden, und Ähnlichem zu stellen sein. Das ist dann freilich eine politische Entschei­dung jener, die geschädigt wurden. – Das ist die eine Geschichte.

Die andere Geschichte ist der Versuch eines Angriffes auf den politischen Mitbewer­ber, und dieser Versuch, aus einer katastrophalen und Existenz bedrohenden Fehlent­scheidung von Managern und denen, die ihnen geglaubt haben, ein sozialdemokra­tisch-gewerkschaftliches Sittenbild zu konstruieren, liegt meines Dafürhaltens bei allem Verständnis für lustvolle Ausübung politischer Angriffe – wie ich mit großer Ehrlichkeit sagen möchte – an der Grenze, wenn nicht jenseits der Legitimität.

Unbestreitbar: Da gab es einen Aufsichtsratsvorsitzenden, der seine Funktion offen­sichtlich im Interesse der Bank und nicht im Interesse des Eigentümers ausgeübt hat. Da gab es einen Gewerkschaftspräsidenten, der diesem engen Mitarbeiter in einer kri­tischen Situation den sich aus diesem Verhältnis ergebenden Glauben geschenkt hat und demzufolge sehr, sehr schwerwiegende Entscheidungen für den Österreichischen Gewerkschaftsbund getroffen hat. – Keine Frage: Damit wird und muss sich die öster­reichische Gewerkschaftsbewegung auseinandersetzen! Und sie muss sich auch mit anderem auseinandersetzen.

Ich bin lebenslanges Mitglied und zeitweiliger Funktionär dieser Bewegung, und ich ha­be nicht die geringste Absicht, dies zu bedauern oder mich dafür zu schämen. Ganz im Gegenteil: Das ist etwas, aus dem ich ein Stück meiner persönlichen und politischen Identität beziehe!

Gerade deshalb sage ich das. Ich empfinde das nicht als politischen Auftrag, wie das Zwischenrufer in anderen Fällen beurteilen zu sollen gemeint haben, sondern ich drü­cke damit das tiefe Gefühl aus, dass daraus – und das kann nur der Anfang sein – per­sonelle Konsequenzen gezogen werden müssen, weiters Konsequenzen betreffend die Strukturen und den Entscheidungsmechanismus und schließlich unter dem Druck der ökonomischen Verhältnisse auch Konsequenzen für das, was man so unschön „den Apparat“ nennt, weil dieser Apparat ja aus Menschen, und zwar aus sehr engagierten und wertvolle Arbeit leistenden Menschen besteht.

Es wird schon so sein, dass sich der ÖGB zur Überwindung dieser nicht hausgemach­ten, aber ins Haus geschleppten finanziellen Probleme strukturell wird verschlanken müssen. Es ist gar keine Frage, dass er verantwortungsvoll gegenüber dem Unterneh­men und den Beschäftigten einen Käufer für diese Bank zu suchen haben wird. Und es wird ein tiefer Schock bleiben, der lange nachwirken wird. Wer etwas anderes sagt oder behaupten würde, der würde sich selbst belügen oder versuchen, andere zu be­lügen.

Das, was wir in den letzten Wochen sowohl im gewerkschaftlichen Bereich als auch im Bereich der SPÖ miterlebt haben, ist aber etwas unendlich Ermutigendes. Ich spreche jetzt von der Reaktion von Menschen, die sich – als Mitglieder, Funktionäre, Vertrau­enspersonen oder Betriebsräte – dieser Bewegung zugehörig fühlen und die genau wissen, dass zu unterscheiden ist zwischen dem Fehlverhalten Einzelner und der Auf­gabe einer Gemeinschaft, die im Dienste der Arbeitnehmer steht und für diese Tag für Tag – sei es in Arbeitsrechtsprozessen, sei es bei Kollektivvertragsverhandlungen, sei


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