Bundesrat Stenographisches Protokoll 736. Sitzung / Seite 19

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Die Öffentlichkeit in unseren Ländern wünscht kein technokratisches Europa. Die Europäische Union muss im täglichen Leben fühlbar werden und bürgernah sein. – Ende des Zitats. 30 Jahre alt und höchst aktuell!

Den ambitionierten Bekenntnissen sind aber keine ausreichenden Taten gefolgt. Die Folge war, dass die Europäische Integration bei Volksabstimmungen immer wieder mit Niederlagen rechnen musste. Ich erinnere an die Ablehnung des Maastricht-Vertrages durch die Dänen 1992, ich erinnere an die gescheiterten Referenden zur EU-Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden im letzten Jahr. Uns muss bewusst sein, dass es dabei vielen Wählern gar nicht um eine Abstimmung über die einzelnen Paragraphen der Verfassung gegangen ist, sondern vielmehr um den Protest gegen undurchsichtige Entscheidungsabläufe und die anonyme Brüsseler Bürokratie.

Wir fordern daher weiterhin als Bundesländer das Klagerecht für den Ausschuss der Regionen beim Europäischen Gerichtshof, wie es in der Verfassung bereits fest­geschrieben wurde, die aber durch die negativen Referenden nicht in Geltung trat.

Wir fordern weiters eine Aufwertung der Regionen mit eigener Gesetz­gebungs­kom­petenz in Europa. Wir haben in Brüssel bereits ein informelles Netzwerk der Regionen geschaffen.

Bürgernähe heißt, die kleinen Einheiten – also die Regionen – entsprechend aufzu­werten und deren Anliegen ernst zu nehmen, denn daran hängt letztlich auch die Akzeptanz des europäischen Einigungswerkes. Ganz im Sinne des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl, der bereits 1988 vor dem Europäischen Parlament gesagt hat: Europa wird nur in dem Maß Gestalt annehmen, als sich seine Bürger mit ihm identifizieren.

Meine Damen und Herren! Im Zuge der Konvents-Diskussion wurde von Seiten vieler Verfassungsjuristen immer wieder festgestellt, dass es trotz des in der Verfassung festgeschriebenen Föderalismus ein deutliches Ungleichgewicht zugunsten der Bun­desebene bei den Kompetenzen gibt. Als Vertreter der Länder sind wir daher aufgerufen, hier für einen kontrollierenden Ausgleich zu sorgen.

Ein Ausgleich ist dabei der Bundesrat, ein weiterer die Landeshauptleutekonferenz. – Auch wenn unsere Verfassung letzteres Gremium nicht kennt, ist es ein wichtiger politischer Player. Ich weise deshalb darauf hin, weil ich am 1. Juli den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz übernommen habe. Es ist mein dritter Vorsitz. Er fällt in eine spannende Zeit, denn in diesem Halbjahr werden sowohl Nationalratswahlen als auch die Bildung der Bundesregierung stattfinden. Gerade in Zeiten einer Regie­rungsbildung hat es in Österreich gute Tradition, dass die Länder einer neuen Bundesregierung ihre Vorstellungen in Form eines Forderungspaketes vorlegen.

Ich werde mich bemühen, dass die Tagesarbeit trotz Wahlkampf unter den Bun­desländern gut koordiniert läuft. Im letzten Halbjahr haben wir unter niederöster­reichischem Vorsitz wichtige Entscheidungen, etwa über die Verteilung der Mittel aus der EU-Regionalförderung und die Festlegung der Fördergebiete, auf die Wege gebracht.

Zu den nächsten wichtigen Fragen wird aus meiner Sicht der Themenkomplex Asyl und Grundversorgung gehören. Der momentan deutliche Rückgang der Zahl der Asylwerber sollte es möglich machen – und ich betone das –, dass alle Bundesländer ihre diesbezüglichen Pflichten in dieser Frage solidarisch und anständig erfüllen.

Natürlich werden wir, wie immer zwischen Bund und Ländern, auch Finanzierungs­fragen zur Debatte stehen haben. Ich werde darauf aufmerksam machen, dass der Finanzausgleich nicht durch einseitige Bundesaktivitäten unterlaufen werden darf,


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