BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 29

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9.56.12

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren Volksanwälte! Die Frage, brauchen wir eine Volksanwalt­schaft, stellt sich, glaube ich, niemand mehr in Österreich. 17 000 Fälle in einem Jahr dokumentieren das eigentlich. Deshalb möchte ich Volksanwältin Bauer und den bei­den Volksanwälten weniger für ihren Bericht danken, der im Grunde erschütternd ist, sondern für ihre Tätigkeit. 17 000 Fälle in einem ausbalancierten System, in einem feingliedrigen System von Verwaltung, Gesetzgebung, Exekutive und Legislative, von einem System des Rechtsschutzes, wie wir es in unserem Land haben, wo wir doch sagen, jeder, der Recht will, kommt zu seinem Recht oder findet zu seinem Recht, und wer aus sozialen Gründen nicht dazu in der Lage ist, bekommt auch Hilfe, sind er­schütternd. Es ist erstaunlich, dass sich in diesem fein balancierten System 17 000 Menschen in einem Jahr Hilfe suchend an jene Institution wenden, die Volksanwalt­schaft heißt. Für die Bearbeitung von 17 000 Fällen in einem Jahr in höchst diffizilen Bereichen spreche ich Ihnen und Ihrem gesamten Team in der Volksanwaltschaft, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern höchste Anerkennung aus.

Auf den Grundrechtsteil, auch mit dem Bereich der Antidiskriminierung verweise ich hier in den Diskussionen immer ganz besonders, denn er ist etwas Besonderes. Dies zeigt ja, dass die Volksanwaltschaft, die in Einzelfällen ja oft nur reaktiv agiert – wenn etwa eine Deponie-Geschichte nicht funktioniert oder in einer Gemeinde ein Brunnen nicht gegraben werden darf, kann sie nur reaktiv tätig sein –, gerade im Grundrechtsteil aber proaktiv sein kann, und das ist von ganz besonderer Wichtigkeit.

Meine Damen und Herren, ich möchte auch nur einige Bereiche hier aufgreifen. Wir haben in einer sehr intensiven Debatte gestern im Ausschuss ja viele der Themenbe­reiche bereits gestreift. Mir ist wichtig, hier noch einmal die Auskunft von Herrn Volks­anwalt Kostelka festzuhalten, was die wirklich menschenrechtsverletzenden Benüt­zungsverbote von öffentlichen Verkehrseinrichtungen bei anzeigepflichtigen Erkrankun­gen betrifft. Da ist der Bund nach wie vor im Rückstand. Dass jemand, der Hepatitis C hat, nicht in eine Straßenbahn oder einen Zug einsteigen darf, ist, gelinde gesagt, ein Witz. Hier gilt es rasch zu handeln.

Das Nächste: Auch hier, im Amtsbereich von Frau Volksanwältin Bauer liegend, ein Phänomen, mit dem wir uns angesichts von Massenuniversitäten und der Rechte von einzelnen Studenten auseinandersetzen müssen: die Verweigerung von Einsichtnah­men in Prüfungsunterlagen. Hier muss ein System gefunden werden, dass die Studen­ten zu ihrem Recht kommen, Einsicht in die Prüfungsunterlagen zu erhalten, und zwar uneingeschränkt, aber gleichzeitig nicht ein Missbrauch möglich gemacht wird, nämlich mit dem Handel von Prüfungsantworten. Aber dass in diesem Fall die Medizinische Universität Wien nahezu selbstherrlich agiert und eine Summe von Verletzungen an den Tag legt, das geht nicht.

Ein nächster Bereich, der besonders von der Selbstherrlichkeit der Amtsträger getra­gen ist, sind die Amtsärzte, die Amtsärzte, die ein Gesetz nicht auslegen, wie es das Gesetz vorsieht, sondern ein eigenes Gesetz, und das vielleicht noch pro Bezirk, erfin­den, nämlich bei den eingeschränkten Lenkerberechtigungen. Das kostet nämlich den Einzelnen sehr viel Geld. Manchem Amtsarzt oder den Amtsärzten bringt es auch mit­unter sehr viel Geld. Es ist eine reine Willkür, wie diese Befristung ausgelegt wird, und hängt davon ab, in welchem Bezirk, in welchem Bundesland ich bin. Meine Kollegin wird darauf noch näher eingehen.

Die überlangen Verfahrensdauern sind heute schon angesprochen worden. Nämlich ganz egal, wo, bei den ordentlichen Gerichten, beim Unabhängigen Verwaltungssenat, in der Verwaltung, immer wieder ziehen sich diese überlangen Verfahrensdauern durch. Da wird offensichtlich zu stark beim Personal gespart. Dieses Sparen an Perso-


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