BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 64

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Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


12.28.42

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Die Diskussion hat mich zu dieser Wortmeldung animiert. Frau Kollegin Roth-Halvax, ich weiß nicht: Eine Regierung, die sechs Jahre nicht er­kennt, dass wir in diesem Land in der Tat einen Pflegenotstand haben!

Es nutzt mir jetzt nichts, Herr Kollege, wenn Sie sagen, Ackerl habe es auch nicht er­kannt. Wer weiß, vielleicht haben wir hier sogar einen Sozialminister, ausgestattet mit einem Staatssekretär, der hier anwesend ist. Das nicht zu erkennen, wenn dieser Pfle­genotstand sogar so weit geht, dass in den höchsten Familien dieses Landes, beim Bundespräsidenten und beim Bundeskanzler in den Familien zu solchen Konstruktio­nen gegriffen wurde, was in den Medien ohnedies mittlerweile auch bekannt gemacht wurde, dazu gehört schon was. Wenn wir bereits 40 000 ausgebildete oder weniger ausgebildete Personen aus dem umliegenden Ausland für Pflegeberufe benötigen, um ein Minimum an akzeptabler Pflege gewährleisten zu können – da sind noch nicht ein­mal jene dabei, die aus Österreich sind! –, und wenn wir die demographischen Daten heranziehen, dann sehen wir, es explodiert uns das Problem gewissermaßen während der Diskussion.

Wir leben in Österreich, aber auch in Europa in einer immer älter werdenden Gesell­schaft. Die älteren Menschen machen einen immer größeren Anteil an der Bevölkerung aus. Wir stehen insgesamt vor der Frage: Und wer macht das? Ich gehe jetzt noch gar nicht einmal auf die Frage ein, wer sich das leisten kann. Ich kann alle Forderungen von Frau Blatnik, wie das auszusehen hat, unterschreiben. So soll es sein. Das ist Menschenwürde im Alter. Das kostet aber etwas, und es bedarf geeigneter und dazu fähiger Menschen.

Liebe Sissy Roth-Halvax, ich habe gar nichts dagegen, wenn wir sagen: Versuchen wir daher schon 16-Jährige dazu auszubilden. Dann hapert es aber! Ich kann doch nicht jemanden, der mit 16 Jahren diesen Weg eines Pflegeberufes einschlägt, lebenslang in diesem Beruf halten. Das heißt, ich brauche eine ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Das habe ich nicht behauptet!) Nein, aber die professionelle Durchlässigkeit dieser Berufe ist gleich null. Es ist auch genauso schrecklich, zu wissen, dass, wenn man mit 17 Jah­ren Kindergärtnerin ist, das mit 63 Jahren noch immer sein wird. Das ist entsetzlich! Das heißt, in all diesen Bereichen brauchen wir eine höhere ... (Neuerlicher Zwischen­ruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) Die Durchlässigkeit ist nicht gegeben! Wir brauchen in diesen Bereichen eine andere Durchlässigkeit, ganz zu schweigen von der psychi­schen und physischen Belastung von Menschen, die in Pflegeberufe gehen. Das ist nämlich psychisch und physisch Schwerarbeit! Da sind wir uns sicher einig, und das müssen wir auch bedenken.

Wir haben also ein Riesenproblem. Unsere Gesellschaft wird älter, und wir brauchen Menschen, die in diese Berufe gehen. Dazu brauchen wir – und anders geht es nicht, die 40 000 besagen das ja jetzt schon – Menschen auch aus dem Ausland, die uns hier helfen. Aber auch die Gesellschaften, aus denen wir bisher Arbeitskräfte abgezo­gen haben, werden älter. Wir verlagern dieses Problem also nur in die nächste Gesell­schaft. Auch in Tschechien oder auch in der Slowakei, auch in der Ukraine, auch in den Staaten des früheren Jugoslawien werden die Menschen älter, weil die Kinderrate dort ebenfalls sinkt, und dann geht man sogar schon nach Weißrussland, nach Ka­sachstan, nach Usbekistan – weil da heute gerade eine Gruppe da war – und versucht, sozusagen in diese Gesellschaften ... Wir verlagern ja auch die Ausbildung nach Tschechien und nehmen dann die Ausgebildeten.

 


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