BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 70

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

dieser Auseinandersetzung die Abkapselung des potentiellen europäischen Partners nicht der richtige Weg sein kann und auch nicht der Weg sein kann, sich an die Seite jener zu stellen, die dort für die Demokratie, für nichtnationalistische Haltungen und für eine europäische Orientierung stehen, das ist mir wichtig.

Wir müssen unser System in Ordnung halten und, wo notwendig, in Ordnung bringen, aber wir müssen die Geisteshaltung, aus der heraus sich dieses System entwickelt hat, auch daraufhin überprüfen, inwieweit es den Bedürfnissen nicht nur Österreichs, son­dern auch dieser Völker und dieser Menschen entspricht.

Es ist dieser Bericht natürlich ein Register der großen außenpolitischen Themen und Auseinandersetzungen, die nicht nur das Berichtsjahr geprägt haben, sondern die wei­terleben und weiter die außenpolitische Debatte bestimmen. Es ist mit Recht in diesem Bericht darauf hinzuweisen oder darauf hingewiesen worden – das ist, seitdem er ab­gefasst wurde, nicht besser geworden –, in welch schwieriger Situation sich die Euro­päische Union befindet. So begrüßenswert es ist, dass wir am 1. Jänner zwei neue Mitgliedstaaten, Bulgarien und Rumänien, in der Union begrüßen können, so sehr wir uns auf diese neuen Partner freuen und so sehr sich diese neuen Partner auf ihre Mit­gliedschaft freuen, ist es ebenso klar, dass durch diese zwei neuen Partner die Diskre­panz zwischen den Institutionen der Union und der Zahl der Mitgliedstaaten nur noch weiter auseinander klafft.

Der Versuch, ein neues System, ein neues Verfassungssystem zu schaffen, das auch noch bei einer wachsenden Zahl von Mitgliedstaaten funktioniert, was Nizza-Europa zunehmend nicht mehr kann, ist leider in eine Sackgasse gelaufen, um es freundlich zu formulieren. Die Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrages in den Niederlan­den und in Frankreich hat all jene, die noch sehr viel größere Probleme gehabt hätten, diesen Vertrag zu ratifizieren, in Wirklichkeit aufatmen lassen. Noch heikleren Partnern, Polen, dem Vereinigten Königreich, ist die Nagelprobe erspart geblieben. Und sie kön­nen sich relativ beruhigt zurücklehnen – auch Tschechien. Sie können sich allesamt entspannt zurücklehnen, weil sie nicht diejenigen sind, die den Prozess aufhalten. Der Prozess ist schon aufgehalten.

Wir haben alle große Hoffnungen auf die bevorstehende deutsche EU-Präsidentschaft; diese Last der Erwartungen drückt sie auch schon gebührend. Aber es muss der Pro­zess wieder in Gang gesetzt werden, wobei es eine gute Frage ist, mit welchem Sub­jekt und ob man – und ich persönlich zweifle daran – das abgelehnte Projekt noch ein­mal mit einem „Defi“ ins Leben zurückholen kann; das weiß ich nicht so recht. Ich habe da meine Zweifel. Es gibt aus vielen Ländern vor allem die Kritik an dem Wort „Verfas­sung“, so nach dem Motto, eine Verfassung haben wir schon: Wozu brauchen wir eine zweite?

Es gibt viele inhaltliche Fragen, die mit Recht noch einmal debattiert werden könnten, und es gibt viele politische Fragen, die im Zusammenhang mit diesem Projekt eigent­lich nur am Rande stehen, aber die deshalb Bedeutung haben, weil den Menschen, die in Frankreich und in den Niederlanden beim Referendum mit Nein gestimmt haben, der politische Inhalt europäischer Politik untrennbar erschien von den Formalien des euro­päischen Entscheidungsprozesses und der europäischen Verfassungsstruktur.

Bei allem Verständnis dafür, dass man nicht einfach sagen kann, machen wir weiter so, als ob nichts geschehen wäre, ist immerhin an einen Sachverhalt zu erinnern: Die­ser Verfassungsvertrag ist der Union nicht von außen appliziert worden, auch nicht vom Konvent. Das Projekt, das in vielen Staaten ratifiziert wurde, in zwei wichtigen nicht, geht zurück auf eine Einigung der Staats- und Regierungschefs, der Vertreter der Mitgliedstaaten. Es kann nicht so sein – und es würde einen peinlichen Blick auf die europäischen Entscheidungsträger ermöglichen –, wenn jene, die das beschlossen


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite