BundesratStenographisches Protokoll739. Sitzung / Seite 71

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haben – und sie haben den Vorschlag des Konvents ja nicht unbedeutend abgeän­dert –, jetzt so tun, als hätten sie damit nichts zu tun gehabt. Es ist in der Formulierung ihr Projekt, nicht das des Konvents. Sie tragen die Verantwortung für den Text, alle 25. Auch jene, die vielleicht unter Druck einem Kompromiss zugestimmt haben, haben letztlich ihre Unterschrift darunter gesetzt. Und die Unterschrift von Staats- und Regie­rungschefs in Europa sollte eigentlich etwas wert sein – wäre zumindest zu hoffen.

Ich darf trotz leuchtenden Lämpchens mit ein paar Worten noch kurz auf ein zweites Thema eingehen, obwohl es natürlich bei der Reichhaltigkeit des Inhalts unendlich viele Anknüpfungspunkte für Debattenbeiträge gibt, auch deshalb, weil hier seit der Abfassung des Berichtes eine weitere Zuspitzung stattgefunden hat und die Frage, wann es zu einer Explosion kommt, durchaus gerechtfertigt ist, nämlich die Situation im erweiterten – wenn ich das so sagen darf – Nahen Osten. Bruno Kreisky, der der schlechteste Nahostpolitiker nicht war, hat immer vor allem vor einem gewarnt: vor dem Zusammenwachsen verschiedener Konfliktherde im Nahen Osten. Und genau dort sind wir heute. Wir erleben das völlige Scheitern der amerikanischen Politik im Irak.

Diese Politik hat keines der selbst gesteckten Ziele erreicht. Es gibt keinen demokrati­schen Irak, es gibt keinen friedlichen Irak, es gibt keinen Irak, der sich im Aufbaupro­zess befindet. Was es gibt, ist das Aufbrechen von Gräben, die es zwar immer irgend­wie gegeben hat, aber die jedenfalls in der Vergangenheit nicht dazu geführt haben, dass sich die Volks- und Religionsgruppen gegenseitig massakriert haben. Diesen Zu­stand hat die Intervention erfolgreich hergestellt.

Ich habe nicht die geringste Neigung, Saddam Hussein nachzutrauern, aber in der Wahrnehmung der Menschen dieses Landes konnten sie unter diesem blutigen Dikta­tor, sofern sie sich politisch nicht betätigt haben, zumindest friedlich und ohne Lebens­gefahr einkaufen gehen, ihre Kinder in die Schule schicken und das Leben normaler Bürger führen. Heute ist politisches Engagement kaum weniger riskant, aber das zivile Leben ist unmöglich geworden. Welche Folgerungen die einzelnen Bürgerinnen und Bürger des Irak daraus ziehen, da kann ich nur mutmaßen, aber es sind jedenfalls keine Folgerungen, die das Konzept der von Amerika, von den Vereinigten Staaten dort implantierten Demokratie unterstützen, und es sind keine Folgerungen, aus denen heraus sich dieses Land offenbar friedlich entwickeln könnte.

Wir erleben ein ähnliches Scheitern, wenn auch in geringerem Maße, im nahe gelege­nen Afghanistan, wo die internationale Mission – und diese hat im Gegensatz zum Irak die Staatengemeinschaft mitgetragen – relativ erfolgreich ist, wo es verstanden wurde, militärische Machtausübung, natürlich auch dort, mit entsprechendem Zugehen auf die Bevölkerung und zivilem Aufbau zu verbinden, und dass dort, wo seit der Niederrin­gung des Taliban-Regimes die Kampfhandlungen weitergehen, in Wirklichkeit auch der Gegner mit jedem Tag stärker und nicht schwächer wird.

Wir erleben – und auch das ist anzusprechen –, wie kontraproduktiv die Gesprächsver­weigerung gegenüber wichtigen Akteuren im Nahen Osten ist. So sehr uns alle die Holocaust-Konferenz in Teheran aufregt – trotzdem: Der Iran ist ein bedeutender Player in dieser Region. Mit ihm nicht zu sprechen ist ein schwerer politischer Fehler. Dasselbe gilt für das wahrlich auch nicht demokratisch verfasste Syrien, das gerade an der Grenze zum Irak, aber auch an der Grenze zu Israel ein Faktor ist, der nicht igno­riert werden kann.

Wenn ich mir die beiden wabernden Konfliktherde Irak und Afghanistan ansehe und jetzt zum Kernpunkt zurückkomme, zu dem, was man normalerweise unter Nahost-Konflikt versteht, also dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, so gibt es


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