BundesratStenographisches Protokoll740. Sitzung / Seite 27

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selbstverständlich einen Kernpunkt hatte. Wir wurden in all den Jahren nie müde, dar­auf hinzuweisen, dass die Situation für die Studentinnen, Bäuerinnen unerträglich ist. Das war eine Forderung der Grünen von Anfang an. (Bundesrat Perhab: Warum ha­ben Sie dann gegen das Kindergeld gestimmt?)

Und jetzt? Es ist ja sehr lustig, dass jetzt im Zuge einer möglichen großen Koalition endlich die Grundsicherung ins Land kommt. Zehn Jahre verspätet! Wie lange diskutie­ren wir schon darüber? Sie haben damals einen Lachkrampf bekommen, als wir von einer Grundsicherung gesprochen haben. Jetzt dürfte es offensichtlich gehen. Wenn Sie heute hier ans Rednerpult kommen und sagen, was das 2003 für eine große sozi­ale Tat war, ist dazu zu bemerken, dass man das wesentlich früher hätte machen kön­nen.

Meine Damen und Herren! Wir sind heute zusammengetreten, um der Republik ein bisschen an Würde und Ehre zurückzugeben, die sie in den letzten Wochen nahezu verloren hätte. Die Reste dieser orangen Chaostruppe haben mit einem Erlass, der nicht anders als als widerwärtig zu bezeichnen ist, Aufmerksamkeit erregt, der zu einem Verlust der Ehre dieser Republik geführt hätte. Dieser Populismus, meine Da­men und Herren, der sich gegen die Armen und Ärmsten und vor allem gegen Neuge­borene richtet, ist eine Niederträchtigkeit. Wenn der Herr Staatssekretär hier sagt, auch er sei für Gerechtigkeit, dann ist das geradezu eine Verhöhnung angesichts dieser Vor­gänge. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Irgendwie funktioniert unser Land, und unser Land erkennt sofort, wenn Ungerechtigkeit gegeben ist. Die Stellungnahmen der österreichischen Bevölkerung, wo auch immer wir sie gehört, gelesen, gesehen haben, die Empörung darüber konnte nicht größer sein. Selbst Kardinal Schönborn oder der Herr Bundesprä­sident haben sich in dieser Sache ganz eindeutig ausgesprochen. Und wenn die Ärztekammer Wien – nicht gerade ein Wohlfahrtsinstitut – alle Ärzte aufruft, diese Neu­geborenen – 6 000 bis 9 000 Menschen betrifft das – angesichts einer skandalösen Verordnung kostenlos zu behandeln, so zeigt das, dass doch noch einiges in unserem Land funktioniert.

Und zu allem Überfluss tritt die Frau Sozialministerin dann auch noch zur absoluten Verhöhnung an und sagt: Man bekommt es rückwirkend, man kann den Anspruch rückwirkend stellen. – Meine Damen und Herren! Wer kann Menschen, die nichts ha­ben, sagen, wie man sechs Monate rückwirkend leben kann? Man kann rückwirkend einen Antrag stellen, aber man kann nicht rückwirkend leben! (Präsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Weiters: Es betrifft Menschen, die tagtäglich damit zu kämpfen haben, wie sie Miete, Strom, Versicherungen, Nahrung und Bekleidung aufbringen, und für die ein Arztbe­such, ein Apothekenbesuch oder das Telefon absolute Luxusgüter sind. Wenn man schon die Frage stellt: Wie kann man rückwirkend leben?, so kann man gleich die nächste Frage stellen: Wie kann man ohne Papiere mit einem Säugling ausreisen, um Papiere zu bekommen? – Meine Damen und Herren! Das ist eine Schande, und ich bin froh, dass wir heute, wenige Tage vor Weihnachten, hier zusammengekommen sind, um dieses Gesetz, diese Verordnung aufzuheben – die auf keinerlei Rechtsgrundlage notwendig gewesen wäre! Schlimmer noch: Sie widerspricht der UN-Kinderrechts­charta gravierend. Wir haben sie noch nicht unterzeichnet, wir wollen sie aber unter­zeichnen, und ich hoffe, dass dieses letzte Aufflackern einer unsäglichen Regierungs­politik, wie das Frau Haubner gezeigt hat, jetzt auch dazu führt, dass wir relativ rasch – wer immer diese Regierung bildet – zur Beschlussfassung dieser UN-Kinderrechts­charta kommen, denn dass es kleine Kinder gibt, die mit Wasser und Mehlbrei gefüttert werden und deren Windeln aus Geschirrtüchern mit Plastiksackerln bestehen, wie sich


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