BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 33

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Sozialministerium weder die Arbeit noch die Familie noch die Gesundheit hat. Aber in Wirklichkeit hat ja wohl die ÖVP das eigentliche Sozialministerium in Form des Gesundheitsministeriums, nämlich mit einem wesentlich größeren Kompetenzbereich – von Gesundheit, Familie und Jugend –, im Gegensatz zum ausgeräumten Sozial­ministerium, und da wird mir ja – übrigens gratuliere ich zur Vorstandswahl, Frau Kollegin Bachner – eine höchste Repräsentantin des ÖGB wohl Recht geben.

Oder ist es so zu verstehen, dass die ÖVP Forschung und Hochschule verwaltet oder die Umweltpolitik verwaltet und die SPÖ nur die Gestaltungsministerien hat?

Lieber Kollege Gusenbauer, das, was ich jetzt sage, ist nicht verletzend gemeint, aber als ich Sie die ersten Male gesehen habe – Sie haben sich ja, im Gegensatz zu Josef Cap, gefreut – und als ich von der Verteilung der Ministerien gehört und die Gesichter von Kollegen Molterer und Kollegen Schüssel gesehen habe, habe ich mir gedacht – das ist wirklich nicht persönlich und verletzend gemeint –: Es ist dies irgendwie ein Faschingsprinz: Er freut sich über die Krone, aber dahinter stehen jene, die die Macht in den Händen halten!

Ich meine, ich freue mich, dass Sie jubeln können – wie gestern in Schladming – als Bundeskanzler. Aber wer gestaltet die Sicherheitspolitik? Wer gestaltet die Finanz­politik, die Umweltpolitik, die Universitätspolitik, die Außenpolitik, die Wirtschaftspolitik, die Arbeitsmarktpolitik, die Jugendpolitik, die Familienpolitik? (Ruf bei der ÖVP: Alles in guten Händen!) – Das sind zentrale Politikbereiche, die bei weitem nicht von der Kanzlerpartei bestimmt werden. (Bundesrat Kritzinger: Und wo seid ihr gewesen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Schauen Sie, ich bin immer großzügig, das wissen Sie, ich gebe hier zu und sage es ganz offen in der Rede: Die Performance der Grünen in diesen Wochen (Ruf bei der ÖVP: War super?) war wirklich nicht beeindruckend! Wenn Sie das wollen, dann sage ich Ihnen das. (Demonstrativer Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Aber es ist interessant, wie billig man hier zu einem Applaus kommt. (Heiterkeit.) Man muss nur irgendwie sagen, man ist ein bisschen abweichend, und schon wird applau­diert, als ob man der König von irgendetwas wäre. (Bundesrat Mag. Himmer: Nein, so stark war es auch wieder nicht! – Heiterkeit. – Bundesrat Dr. Kühnel: Sie sind ja der König der Besserwisser!)

Tatsache ist, dass Sie für ein Regierungsprogramm drei Monate benötigt haben – drei Monate, dass Dr. Gusenbauer eigentlich den Großteil der SPÖ-Wahlversprechen gebrochen hat –, für ein Papier irgendwie mit Überschriften. Ich habe mir ganz spezielle Kapitel angesehen, da habe ich mir gedacht: Wer immer hier die Redaktion geführt hat, der hat einmal ein Lexikon hergenommen und geschaut, was man unter diesem Gegenstand derzeit allgemein versteht! Es ist ja im Grunde eine Fülle an Worten ohne irgendeine Definition. Es gibt wahnsinnig viele Arbeitskreise. Das ist zwar eine interessante Form des Regierens, aber von einem Regierungsprogramm erwartet man Konkreteres – vor allem, wenn man drei Monate dazu braucht!

Aber für eines muss man dankbar sein, für eines bei dieser Regierungsbildung bin ich auch ausgesprochen dankbar, dankbar im Sinne der politischen Ethik, dankbar für die kollektive Psychohygiene unseres Landes und für die Gesundung unserer politischen Kultur, nämlich, wofür ich dankbar bin – da kann weder Herr Gusenbauer noch Herr Molterer etwas dafür –, das ist, dass es einen Karl-Heinz Grasser in der öster­reichischen Innenpolitik nicht mehr gibt. Dafür muss man dankbar sein! (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Todt.)

Dieser Verfall der politischen Kultur und der Sitten, die zur Person gewordene Inkar­nation der Verwechslung von Privat und Staat, auch diese Form der öffentlichen


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