BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 35

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Es gibt einen Cordon sanitaire ... (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist auch eine Jugend­torheit: beim Opernball demonstrieren und gewaltbereit sein!) Wollen Sie jetzt eine Opernballdemonstration mit Wehrsportübungen vergleichen? Ich meine ... (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist viel schlimmer!) Ach, viel schlimmer? Na gut. – Der Cordon sanitaire tut gut, wie man gerade hört, und zu diesem Cordon sanitaire, Herr Bundeskanzler, sollten Sie wieder zurückkommen.

Wenn wir nun zum Regierungsprogramm im Detail kommen, kann man es über­schreiben mit: „Es ist eine Fortschreibung.“ Es tut mir leid – es tut auch mir als Oppositionspolitiker leid –, es ist eine Fortschreibung statt eines Aufbruchs! Zu den Schlüsselworten, die ich in diesem Programm finde – fangen Sie zu zählen an, die Seiten sind ja mit nicht einmal 130 schaffbar –: Immer wieder steht da ein Satz, der wirklich beispielhaft ist und alles relativiert, was hier angedacht worden ist – und es ist oft auch Sinnvolles angedacht –, und der lautet: „nach Maßgabe budgetärer Möglichkeit“. Das heißt: Wir hätten ja gerne gewollt, aber es geht nicht! (Bundesrat Bieringer: Das Christkind kommt am 24. Dezember!)

Ja, ja, mein lieber Kollege Bieringer, Ihr Problem ist es ja nicht! Sie waren bei den Wahlversprechen etwas leiser. Aber die Kanzlerpartei hat ganz andere Wahlver­sprechen abgegeben! Und dieser Müllberg an Wahlversprechen wird dank dieses Satzes am Ende dieser Regierungsperiode größer. Sie werden mit Ihren enttäuschten Wählern herumgehen.

Ein Wort über den Arbeitsdienst für Studierende. – Ich frage mich: Was haben Sie sich wirklich gedacht? Und finden Sie es nicht langsam an der Zeit, zumindest das zurückzunehmen? Ins Hospiz wollen Sie sie schicken? Haben Sie, Herr Bundes­kanzler, davon eine Ahnung, haben Sie schon jemals ein Hospiz besucht? Hin und wieder sollen Studierende, die dazu in keiner Weise befähigt sind, Dienst an sterben­den Menschen machen? Haben Sie denn keine Achtung vor qualifizierten Sozial­berufen? Wollen Sie das Geld, das Sie in die Universitäten investieren wollen, später in die nachfolgende psychische Betreuung jener Studenten investieren, die das nicht aushalten und nicht durchtragen? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Eines hätte ich mir schon gewünscht, Herr Bundeskanzler! Ich verstehe Ihre Verbit­terung: Sie waren oft in Ihrem Leben Demonstrant, und plötzlich werden Sie zum Objekt von Demonstrationen. Das ist etwas Neues, und da kann auch in der Verbit­terung und in dem Unverständnis einmal einem ein Wort auskommen, das man vielleicht lieber nicht gesagt hätte. Aber die Studenten als „Rabauken“ zu bezeichnen – ich glaube, das sollten Sie doch irgendwann einmal zurücknehmen! (Beifall bei den Grünen.)

Auf die Bildungsreform warten wir noch immer – das war eine zentrale Wahlkampf­ansage der SPÖ –, aber die kommt nicht.

Was die Umwelt betrifft, steht bei der SPÖ noch drin: Österreich braucht einen neuen Umweltminister! – Es hat den alten bekommen. Die Umweltpolitik bleibt nach dem, was hier vorliegt, auf dem Abstellgleis.

Die Armutsbekämpfung ist nicht ambitioniert, trotz dem, was Sie heute hier gesagt haben. Sie haben zwar eine jahrelange Forderung – dafür bin ich Ihnen dankbar –, nämlich die jahrelange Forderung nach der Mindestsicherung, aufgenommen, doch dies gleich wieder eingeschränkt, und zwar heißt es jetzt: Nur dann, wenn eine Vereinbarung mit den Ländern getroffen werden kann!

Ich kann mich daran erinnern, dass die SPÖ immer gesagt hat: Die Arbeit der Wirtschaft auszuliefern, das bedeutet sozusagen, diesen Politikbereich dem Todfeind auszuliefern! – Aber das Arbeitsressort verbleibt nach wie vor im Wirtschaftsressort!

 


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