BundesratStenographisches Protokoll742. Sitzung / Seite 19

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

ben zu viel. Das wollen Sie alle miteinander wahrscheinlich nicht als Feststellung. Da­her meine ich, die Reformen wollen wir mutig angehen. Wenn wir beim Status quo blei­ben, müssen wir auch akzeptieren, dass es eigentlich einen kontinuierlichen Schrump­fungsprozess beim Föderalismus gibt, und das wollen wir vor allem in den Bundeslän­dern nicht haben.

Es geht um eine neue Austarierung der Gewichte in unserem Staat, und ich habe zu der Frage der richtigen Balance zwischen Bund und Ländern aus früheren Debatten ein wunderbares Zitat gefunden, das Bundeskanzler Dr. Kreisky anlässlich einer klei­nen B-VG-Novelle 1974 im Nationalrat für alle Zeit festgeschrieben hat, das heute ge­nauso gilt, wie es 1974 gegolten hat, und das uns eigentlich auch sehr recht gibt. Ich darf ihn kurz zitieren:

„Über die Frage, was den Ländern und was dem Bund zustehen soll, wird es immer Meinungsverschiedenheiten geben. Es ist bisher noch kein Maßstab gefunden worden, anhand dessen diese Fragen entschieden werden könnten. Wesentlich ist aber die Einstellung dazu. Nicht immer liegt die Lösung in einer bundeseinheitlichen Regelung oder Behandlung eines Problems. Auf den Leistungswillen und die Leistungsfähigkeit der Länder muss vielmehr ebenso Rücksicht genommen werden wie auf die Bedürf­nisse der Bevölkerung. Gerade auf die Bedürfnisse der Bevölkerung muss Rücksicht genommen werden, wenn der Interessenkonflikt zwischen Bund und Ländern entsteht. Eine von diesem Geiste getragene Einstellung wird zu einem befriedigenden Interes­senausgleich zwischen Bund und Ländern führen.“

Also der Status quo ist keine taugliche Option. Entscheidend ist, dass wir auf die Inter­essen und die Bedürfnisse der Bevölkerung achten. Wir sollten eine klare Kehrtwende machen weg von allen Formen einer Bundesstaatsreform, die nach dem Beuteaspekt geführt werden. Sie erinnern sich an die Vergangenheit, wo sehr stark der Eindruck entstanden ist, jeder will möglichst viel Macht für sich haben. Ich glaube, diese Form ist einfach keine zeitgemäße und entspricht auch nicht den Bedürfnissen der Bevölke­rung.

Entscheidend ist im 21. Jahrhundert mehr denn je – bei einer gewissen Verarmung der öffentlichen Hand, während im Privatbereich Vermögen akkumuliert wird; nicht bei allen, sondern nur bei wenigen, aber trotzdem – der Faktor Effizienz. Den dürfen wir dabei auch nicht außer Acht lassen, denn eine Begleiterscheinung der Bundesstaats- und der Staatsreform wird einfach sein: Was bringt uns das auch finanziell? Wie kön­nen wir unseren Staat kostengünstiger organisieren? Wenn wir uns in diesen Refor­men vom Primat des öffentlichen Nutzens leiten lassen, dann sehe ich eine sehr gute, blühende Zukunft für den Bundesstaat und auch für den Bundesrat.

Es gibt daher – das möchte ich heute hier besonders an diesem Ort betonen – durch­aus die Chance auf einen neuen Bundesrat, auf einen runderneuerten Bundesrat, auf einen Bundesrat mit einem völlig neuen Selbstverständnis. Es ist ein spannender Weg, der vor Ihnen liegt. Wir stehen durchaus an der Schwelle zu einer neuen Ära des Bun­desrates und möglicherweise zu einer deutlich gestärkten Länderkammer.

Ich meine, dafür brauchen wir noch eine zukunftstaugliche Verfassung, dann steht dem Ziel nichts mehr im Wege, dass wir an einem modernen, leistungsfähigen und solidari­schen Österreich arbeiten wollen. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

9.52


Präsident Manfred Gruber: Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau! Ich danke dir für deine sehr offenen und klaren Worte zur Staatsreform sowie zum Bundesrat.

Es liegt mir hiezu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die von der Frau Landeshauptfrau ab-


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite