BundesratStenographisches Protokoll742. Sitzung / Seite 64

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Und jetzt komme ich zum Kollegen Schennach. Das ist das Problem, dass sich jeder auf die Verschwiegenheitspflicht ausredet. Der Arzt sagt, ich habe Verschwiegenheits­pflicht. Der Lehrer sagt, ich habe Verschwiegenheitspflicht. Das geht bis zum Sozial­amt, das bei mir in der Gemeinde untergebracht ist, das hat auch eine Verschwiegen­heitspflicht. Also wir alle müssen sofort zum Gericht gehen. Jeder von uns, der etwas weiß, muss zum Gericht gehen, dann läuft es erst.

Ich bin für die Verschwiegenheitspflicht, die muss gelten, aber in gewissen Dingen, für Kinder, da muss doch vom Bürgermeister angefangen über das Sozialamt, die Polizei und den Schulleiter, die alle in der Gemeinde leben, eine Kooperation möglich sein. Diese ist aber derzeit, Frau Minister, nicht gegeben, da hat man gar keine Chance. Und das ist das Problem.

Dann kommt man zum Gericht, lieber Kollege, und dann wissen alle alles besser. Plötzlich wissen alle alles, und das ist bedauerlich. Deswegen bin ich der Meinung, wir sollten die Kirche schon im Dorf lassen und sagen: Passt auf, das kann es nicht sein! Wenn ein Lehrer das Gefühl hat, er merkt etwas, oder er hat von den anderen Kindern etwas erfahren, dann muss er die Möglichkeit haben, zu den Eltern zu kommen. Und wenn der Bürgermeister zum Lehrer sagt: Du, pass auf, ich habe das auch bemerkt!, so muss es doch möglich sein, dass die beiden kooperieren. Das muss doch möglich sein, ohne gleich das Gericht zu beauftragen. Dann kommt nämlich das, was die Fa­milie eigentlich nicht will, dann kommt nämlich das Gericht hin, dann kommt nämlich eine derartige Gewalt hin, aber wir könnten das vielleicht schon früher, vielleicht schon Jahre früher in den Griff bekommen. Das wäre eigentlich meine Meinung, Frau Minis­ter.

Zum anderen möchte ich noch folgende Situation schildern – ich habe es heute schon einmal erwähnt –: Da findet ein Gemeindebürger ein Sparbuch, Frau Bundesminister, und trägt es zur Polizei. Bei der Polizei merkt man: Aha, das ist in der und der Raiff­eisenbank ausgestellt worden, die Nummer ist drinnen! Man ruft die Raiffeisenbank an und sagt: Bitte schön, das Buch ist da, wem sollen wir es geben? – Das dürfen wir Ihnen nicht sagen!, lautet die Antwort.

Jetzt stellen Sie sich das vor: Das liegt schon drei Monate dort! Drei Monate liegt das am Gendarmerieposten! Gestern war der Beamte zufällig bei mir, wir haben ein biss­chen darüber diskutiert. Drei Monate liegt es dort, es darf nicht abgeholt werden. Jetzt muss man sich Folgendes vorstellen: Das muss zum Gericht laufen! Na, jetzt wird es zum Gericht gehen.

Bitte schön, was haben wir denn für Schwierigkeiten?! Wir machen ja wirklich den Staat zu einem komplizierten Apparat, den wir aufbauen, und dann wundern wir uns darüber, dass wir hinten und vorne nicht mehr zurechtkommen! Die Gerichte brauchen natürlich drei, vier Jahre, bis sie so weit sind, dass sie das endgültige Urteil sprechen.

Liebe Frau Bundesminister! Jetzt möchte ich Sie schon fragen: Wie könnte man die ganze Problematik schneller in den Griff bekommen? – Das wäre, glaube ich, für uns alle wichtig. Schauen Sie, einen kleinen Wurstsemmeldieb hat die Gendarmerie gleich! Und dagegen haben wir jetzt mit Elsner – und so weiter – das andere typische Beispiel.

Das verärgert die Österreicher derart, dass sie sagen: Da haben wir einen Akademiker dabei, einen Richter dabei, eine Juristin dabei, die vielleicht durch tragische Umstände nicht mehr in der Lage ist, das zu bewältigen; aber dort mahlen die Mühlen wirklich anders! Das hat jemand von den Kollegen hier vorhin gesagt, dass es da in Österreich wirklich Unterschiede gibt: Den einen erwische ich geschwind, den habe ich gleich am Krawattl, da weiß ich, wo er daheim ist, da wird die Exekutive beauftragt. – Bei einem anderen geht man nicht einmal nachschauen, wie etwa bei den drei oberösterreichi­schen Kindern.

 


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