BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 17

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festgeschrieben sind. Das gilt auch für den letzten Vorfall, als rund zwei Kubikmeter ra­dioaktiv angereichertes Wasser ausgetreten sind, obwohl das noch in der Sicherheits­zone war. Hier gibt es eine Meldefrist von 72 Stunden. Tschechien hat binnen 50 Stun­den, glaube ich, diesen Vorfall gemeldet. Also die Meldungen sind im Rahmen der Fristen, aber trotzdem manchmal beunruhigend, wenn man denkt, dass da 50 Stunden lang keine Meldung erfolgt. Aber ich glaube, dass die Sicherheitsmängel noch nicht behoben sind.

Daher haben wir ja gemeinsam vereinbart, dass erstens auf Basis eines Entschlie­ßungsantrages des Parlaments die Frage einer völkerrechtlichen Klage geprüft wird. Dazu gibt es eine Kooperation des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes und des Völkerrechtsbüros, und die haben auch beschlossen, fünf externe Experten beizu­ziehen, um diese Frage zu prüfen. Ich glaube, dass wir in rund acht Wochen die Ant­wort der Expertengruppe haben werden. Dann wird klargestellt sein, ob auf Basis der bisherigen Vertragslage eine solche völkerrechtliche Klage auch möglich ist.

Zweitens: Das Parlament hat sich, so höre ich, entschlossen, gemeinsam mit dem tschechischen Parlament eine Interparlamentarische Kommission zu gründen, wo vor Ort eine Sichtung der Probleme und ein Dialog stattfinden werden, denn sehr oft agie­ren wir ja auf Basis von Zurufen, das muss man ganz offen sagen. Man hört irgend­etwas, dann gibt es in Österreich die Aufregung – mit Recht –, und wir richten den Kolleginnen und Kollegen in Tschechien etwas aus, und die richten uns auch wieder etwas über die Medien aus, aber die echte Konfrontation mit Argumenten und Gegen­argumenten vor Ort findet eher seltener statt. Daher begrüße ich es, dass es zu dieser Interparlamentarischen Kommission kommen wird.

Darüber hinausgehend ist es so, dass es der tschechische Ministerpräsident Topo­lánek den Vorschlag gemacht hat, ob man nach diesem parlamentarischen Prozess nicht zu einer völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung kommen kann. Ich würde sagen, wir stehen dem offen gegenüber, wenn es unseren Interessen entspricht. Das heißt, es geht ja nicht nur darum, dass etwas völkerrechtlich verbindlich ist, sondern vor allem darum, was der Inhalt oder der mögliche Inhalt eines solchen Abkommens ist. Alles, was zu einer stärkeren Verrechtlichung des gesamten Prozesses führt, würde uns, glaube ich, helfen.

 


Präsident Manfred Gruber: Danke. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Bundeskanzler! Ich begrüße auch diese Interparlamentarische Kommission. Auch der Bundesrat selbst hat hier ja in den letzten eineinhalb Jahren schon sehr enge Kontakte geknüpft. Trotzdem – möglicher­weise ist es lästig – die Frage: Immerhin ist der Entschließungsantrag des Nationalra­tes nun drei Monate alt, die Prüfung wird weitere acht Wochen dauern. Sie sagen, die Tschechen melden sehr langsam. Sie sehen, die österreichische Reaktion ist auch sehr langsam. Es gibt also eine gewisse Langsamkeit auf beiden Seiten. Aber haben Sie – Sie haben ja in letzter Zeit auch persönliche Gespräche geführt – diese Erwä­gung überhaupt in den Raum gestellt, dass es hier zu einer völkerrechtlichen Klage kommen könnte, und was war die Reaktion?

 


Präsident Manfred Gruber: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Sie haben recht, dass das alles seine Zeit dauert. Der Punkt ist der: Es ist eine nicht einfach zu beantwortende Frage, und des­wegen haben sich der Verfassungsdienst und das Völkerrechtsbüro auch dazu ent­schlossen, externe Experten beizuziehen, weil es kaum eine Präzedenz gibt. Also, es ist – ohne jetzt in die juristischen Details eingehen zu wollen – sehr, sehr kompliziert, das zu bewerten. Und wenn es dann eine Bewertung gibt, stellt sich natürlich auch die Frage, welche Aussicht auf Erfolg diese Vorgangsweise hat.

 


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