Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Es heißt ja, es sei das Wesen eines Kompromisses, dass beide Seiten damit unzufrieden sind. So gesehen, gibt es im Hochschulbereich wahrscheinlich keinen Kompromiss, weil die ÖVP zu hundert Prozent zufrieden sein kann mit dem, was sie hier durchgebracht hat.
Meine Frage betrifft den freien Hochschulzugang in Österreich: Ist der für Sie für diese Regierungsperiode abgehakt, oder werden Sie noch irgendwelche Anstrengungen unternehmen, um ihn doch wieder einzuführen?
Präsident Manfred Gruber: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Dr. Alfred
Gusenbauer: Die Diskussion
über die Frage des freien Hochschulzuganges wird mit Sicherheit
weitergehen, denn das, was wir im Koalitionsabkommen umgesetzt haben, ist
jetzt die Realität, aber die politische
Diskussion kann und will ich niemandem verbieten.
Es wird im
Übrigen diese Diskussion über eine zweite Ebene sicher wieder nach Österreich
hereingetragen werden. Sie wissen, dass wir aktuell eine Auseinandersetzung mit
der EU-Kommission haben, was zum Beispiel die Quotenregelung bei den Medizinstudenten
betrifft. Das heißt, die gesamte Frage, wie viele Studienplätze es
gibt und wie der freie Zugang geregelt wird, wird meinem Eindruck nach ein
Dauerbrenner werden, weil es hier eine Reihe von offenen Fragen gibt, die
weiter diskutiert und behandelt werden müssen.
Präsident Manfred Gruber: Danke, Herr Bundeskanzler.
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Kollege Konecny zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.
Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Ich darf an dem Punkt weiterfragen, an dem wir soeben angelangt sind, denn Kollegin Mühlwerth gibt mit ihrer Ursprungsfrage wenig dazu her. Sie sollte aus ihrer eigenen Erfahrung mit der Umsetzung von Wahlversprechen bei einer Regierung zweier annähernd gleich starker Parteien ein bisschen was erzählen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Aber ich komme zu der Frage, die jetzt angeschnitten wurde, zurück.
Herr Bundeskanzler! Es gibt praktisch zwei Länder, Belgien/Wallonie und Österreich, die den Sonderfall der Sprachgleichheit mit einem großen Nachbarn haben. Sehen Sie eine Chance und haben Sie insbesondere auch beim Europäischen Rat Möglichkeiten gehabt, diese Sonderfälle als solche den Kolleginnen und Kollegen anderer Länder, in denen es immer um ein paar hundert oder maximal um ein paar tausend ausländische Studenten gehen kann, vor Augen zu führen?
Präsident Manfred Gruber: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Bundesrat! Es ist in der Tat so, dass Belgien und Österreich hier in einer vergleichbaren Situation sind, nur mit dem Unterschied, dass das in Belgien schon dramatisch weit fortgeschritten ist. Das kleine Belgien leistet für das große Frankreich in der Tat, wenn man so will, bildungspolitische Entwicklungshilfe, denn sehr hohe Anteile an den belgischen Universitäten sind letztendlich von Studentinnen und Studenten aus Frankreich belegt.
Wir haben diese Frage angesprochen, weil es bei allen Regelungen der Europäischen Union natürlich darum gehen sollte, die Prinzipien zu verwirklichen. Aber man muss sich immer auch anschauen, wie sich die Umsetzung eines Prinzips im konkreten Einzelfall auswirkt.
Es ist so, dass Österreich bei der Größe, die wir haben, nicht alle Probleme der Bundesrepublik Deutschland im Universitätswesen wird lösen können, noch dazu, da sich
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