BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 76

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bemüht sind, hier Perspektiven und künftige Lösungen aufzuzeigen, nicht nur den Kosovo betreffend, sondern auch die Staatlichkeit Bosnien-Herzegowinas – und gleich­zeitig gehen wir mit dem Visa-Regime nicht herunter!

Wir bemühen uns, sozusagen die nationalistischen Grenzen im Kopf in diesen Staaten zu überwinden. Dazu bedarf es dessen, dass die jungen Menschen auch reisen dürfen, insbesondere die jungen Menschen Serbiens, die aus einer Sackgasse der Beziehun­gen überhaupt nicht herauskommen. Wenn Sie einmal nachfragen, wie viele junge Menschen in Serbien ihr Land schon verlassen konnten, dann werden Sie eine er­schreckende Zahl herausfinden.

Mit großer Freude wurde im Sommer letzten Jahres von uns allen die Meldung der EU entgegengenommen, dass gegenüber Montenegro, Bosnien, Serbien und Albanien für junge Menschen, für Studierende, für Wissenschaftler das Visum fällt. Bis heute verzö­gert sich dieser Prozess; angekündigt war dies im Sommer letzten Jahres fürs Jahres­ende. Jetzt wurde zwar für die Staaten des früheren Jugoslawiens – einschließlich Al­baniens – die Übergangsbestimmung für dieses Jahr gefunden, dass es 35 € auch für 2007 bleiben. Aber was dann? Was dann, wenn wir hier wirklich einen offensiven Pro­zess beginnen wollen?

Gerade der EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens schafft für Serbien eine ganz beson­ders schwierige Situation. Statt dass wir im Rahmen der europäischen Politik endlich sagen: Okay, wir stellen nicht nur die Schutztruppen im Kosovo, sondern wir behan­deln diesen gesamten Raum mit einer wesentlich größeren Freundlichkeit, indem wir endlich das Visa-Regime abschaffen!, wird es – so sehe ich das – nach 2007 letztlich auch auf die 70 € erhöht werden. Was das für Leute in Bosnien oder in Serbien bedeu­tet, können Sie sich ausrechnen.

Dabei ist insgesamt noch eine weitere Verschlechterung hinzugekommen: Früher wur­den Forschende, Künstler/Künstlerinnen oder Leute aus dem universitären Bereich be­freit, jetzt können sie befreit werden. Das ist eine sehr, sehr weiche Lösung, die hier eingeführt wurde.

Herr Staatssekretär! Ich hoffe dringlich, dass wir diesen Raum Südosteuropa auch in der Visa-Frage anders behandeln. Wir haben es ja auch schon diskutiert, dass zum Beispiel die Kroaten aus Bosnien kein Visum brauchen, weil sie einen zweiten Pass haben; aber das alles geschieht in einem Staatsgefüge, und natürlich fühlen sich die Bosniaken als Menschen zweiter Klasse (Bundesrat Konecny: Die Serben auch!) – und die Serben selbstverständlich auch! –, wenn sie im selben Staatsgefüge sind. Die einen dürfen reisen, die anderen nicht, und das ist eigentlich unerträglich, auch für die gemeinsame Entwicklung, die wir alle wollen.

Es gibt ja, glaube ich, niemand, der nicht sagt, die Priorität der Nachbarschaftspolitik – was die EU-Außenpolitik betrifft, wenn man so will – ist der Raum Südosteuropas. Letztlich ist die Stabilität dieses Raumes auch für die EU von immanenter Bedeutung. Die EU umschließt nun diesen Raum, sie hat quasi den Bogen zugemacht, und den­jenigen, die jetzt in diesem, sagen wir einmal, geographischen Loch drinnen sind, drü­cken wir eine Visa-Regelung auf.

Jetzt muss man noch eines dazusagen. Bis 1990 konnten sie im früheren Jugoslawien reisen, wohin sie wollten. Wir in Österreich haben einen Prozess unterstützt, den Pro­zess der Selbstständig-Werdung der Teilstaaten des ehemaligen Jugoslawiens, und begegnen diesem Prozess jetzt mit den Visa! Das ist eine gewisse paradoxe Situa­tion – Kollege Himmer, weil Sie mich gar so traurig anschauen, das werden Sie ja sa­gen –: War man früher sozusagen jugoslawisch, so galt die freie Fahrt; dann unter­stützt man einen inneren Demokratisierungsprozess, oder wie immer man das benen­nen will, und dann sagt man „Visum“!

 


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