BundesratStenographisches Protokoll743. Sitzung / Seite 87

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Mitgliedstaaten sind dann jene, die beträchtliche der ihnen zustehenden Mittel nicht in Anspruch nehmen können, weil die Kofinanzierungsfähigkeit nicht im ausreichenden Maße gegeben ist. Das bekommen dann die anderen Mitgliedstaaten zurück, und das ist nicht Zweck der Übung.

Aber auch dort, wo die Mittel voll abgeholt werden, kann man das nur sehr begrenzt als Erfolgsgeschichte bezeichnen. Natürlich gibt es viele vernünftige Projekte, großartige Entwicklungsprojekte, die aus diesem Titel finanziert wurden – der „Spiegel“ hat sich diese Woche dieses Themas angenommen –, aber wenn man im Jahr 1994 immerhin ein 800-Millionen-€-Projekt zur Elektrifizierung der Eisenbahnstrecken in Süditalien an­wirft und bei dieser Gelegenheit feststellt, dass dort knapp die Hälfte des Streckennet­zes elektrifiziert ist, das Programm 2002 abschließt und dann im amtlichen Endbericht der EU festhält, dass nunmehr 50 Prozent der Strecken elektrifiziert sind, dann frage ich mich, was mit den 800 Millionen passiert ist!

Wir haben unzählige Beispiele – mit Verlaub gesagt, auch in unserem eigenen Land – dafür, dass Projekte eines höchst zweifelhaften Wertes mit gewaltigsten Beträgen ge­fördert werden. Wir sind nicht besser – auch nicht schlechter – als die anderen, und Regionalpolitiker sowie Kommunalpolitiker locken natürlich diese Geldtöpfe. Klar! Ob das, was herauskommt, etwas Vernünftiges und Verwertbares ist, das bleibt immer die Frage.

Ich zitiere jetzt wieder den „Spiegel“, der fairerweise überwiegend deutsche Beispiele angeführt hat: eine Fahrradgarage, also Fahrradständer, um 150 000 €, und zwar des­halb, weil dies in einem Dorfentwicklungsprojekt untergebracht werden musste und da­her nicht einfach aus Blechständern unter einem Blechdach bestehen konnte, sondern ein wunderschönes, aus Klinkern errichtetes Häuschen ist. 150 000 € für ein paar Fahrräder!

Es gibt auch das groteske Beispiel, das von zwei Konkursen gekennzeichnet ist. Da hat die EU in Brandenburg zunächst einmal eine riesige Halle gefördert und kofinan­ziert, auf dass dort der „CargoLifter“ erzeugt wird, also jenes Luftschiff, das die schwe­ren Lasten durch die Gegend führen soll. Dieses industrielle Projekt hat im Konkurs geendet, aber die Halle war da! Jetzt hat dort, wiederum mit viel Geld der EU, eine, glaube ich, koreanische Firma einen Freizeitpark „Tropical Islands“ errichtet, in dem man in warmer Luft – die Halle ist ja gut gedichtet – an einem künstlichen Sandstrand baden kann. Die stehen gerade vor dem Konkurs, weil in der Märkischen Heide die Nachfrage nach tropischen Inseln offensichtlich begrenzt ist.

Das könnte ich jetzt, publikumswirksam und humorig, lange weiterdeklinieren. Aber ich möchte nur eine Frage, eine ganz zentrale Frage, stellen: Ist es wirklich so, dass jene, die diese Mittel in Brüssel verwalten, besser über regionale Bedürfnisse Bescheid wis­sen als die in den jeweiligen Staaten existierenden regionalen Institutionen? Hat dieses Hin- und Herschieben von vielen, vielen Milliarden irgendeinen praktischen Sinn – außer dass vermutlich die Banküberweisungen den kontoführenden Banken bei diesen Beträgen nicht ganz unrecht sind? Wäre es nicht vielleicht denkbar, ein System zu ent­wickeln, in dem wir diese Mittel in die nationale Verantwortung rückführen?

Nettozahler wie wir hätten eben ihren Beitrag für die zentralen Ausgaben abzuliefern, Nettoempfänger würden also den entsprechenden Betrag draufbekommen. Das ist jetzt kein Konzept, dazu ist das alles zu roh und zu jung. Aber stellen Sie sich einmal für unser eigenes Land vor, wie es wäre, wenn die Bundesregierung mit der Karotte der finanziellen Unterstützung darüber entscheidet, wie Bürgermeister ihre Gemeinde gestalten! Ich glaube nicht, dass das ein System ist, das in unserer Bevölkerung zu­stimmungsfähig ist und das finanziell tragbare Konsequenzen hätte.

 


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