BundesratStenographisches Protokoll744. Sitzung / Seite 76

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lichen Situation auch noch Profit zu schlagen, anstatt auf tatsächliche, schnelle und effiziente Maßnahmen zu setzen.

Mir ist schon bewusst, dass die österreichische Anti-Atomenergie-Haltung in Europa eine ist, die von einer absoluten Minderheit vertreten wird. Ich war vor Kurzem Mitglied einer Delegation, die nach Bukarest gefahren ist. Wenn man mit den dortigen Ent­scheidungsträgern spricht, was sie von Atomenergie halten, dann ist es erschreckend, was man da zu hören bekommt. Mir ist also wirklich klar, dass Österreich mit seiner Haltung in der Minderheit ist und dass da sehr viele Kräfte in eine ganz andere Richtung gehen und Atomenergie forcieren wollen. Aber ich erwarte mir schon, dass Österreich auch auf EU-Ebene sehr offensiv gegen die Atomlobby auftritt und das, von dem wir wissen, dass es der richtige Weg ist, nämlich Atomenergie nicht zu fördern, sondern aus Atomenergie auszusteigen und tatsächlich auf erneuerbare Energien zu setzen, wirklich offensiver vertritt.

Zu einem anderen Punkt, nämlich dem Thema Frauen und Gleichbehandlungs­angelegenheiten. Hier hat der Rat drei Schwerpunkte für die kommenden eineinhalb Jahre ausgearbeitet, und, wie das bei Querschnittsmaterien immer so ist, das sind globale, wirklich schöne Forderungen, denen wahrscheinlich alle zustimmen werden. Es geht um gleiche Chancen von Frauen und Männern im Bereich Beschäftigung, um den Abbau von Geschlechterstereotypen und um den Abbau von Benachteiligung von Frauen mit Migrationshintergrund.

Das sind alle schöne, hehre Ziele. Ich glaube, sie sind auch nicht neu. Ich hoffe doch sehr, dass wir nach diesen eineinhalb Jahren tatsächlich eine merkbare Änderung bei diesen Problemfeldern feststellen können. Mich würde sehr interessieren – wir haben es heute in der Fragestunde auch schon andiskutiert –, welche Maßnahmen Österreich plant, um diese Ziele zu erreichen.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass zwar das Thema immer diskutiert wird und dass man hier immer versucht, Maßnahmen zu setzen, aber eine wirklich spürbare Änderung konnte ich jedenfalls in dem Zeitraum, den ich jetzt beobachten und überblicken kann, noch nicht feststellen.

Interessant wäre unter anderem auch die Frage, wie es in der unendlichen Geschichte der EU-Verfassung weitergehen wird. Auch die deutsche Ratspräsidentschaft hat sich vorgenommen, hier eine Roadmap in die Wege zu leiten und den Prozess wieder in Gang zu setzen. Wenn man sich Diskussionen zum Thema EU-Verfassung anhört, wird hauptsächlich darüber gestritten, ob die EU-Verfassung jetzt schon gänzlich tot ist, ob sie nur schläft, ob sie sich erholt. Also da wird immer mit fast schon klinischen Begriffen gearbeitet. Ich bin gespannt, was passieren wird. Das ist auch eine Frage, die wahrscheinlich nur mit der Zeit zu beantworten sein wird.

Abschließend möchte ich noch einen Punkt anreißen: Die Diskussion über die soziale Dimension der EU scheint zumindest auf der Ratsebene nicht so fortzuschreiten, wie es nötig wäre. Es gibt aber ein Papier einer Gruppe von neun Mitgliedstaaten, das eine Stärkung der Sozialpolitik und soziale Mindeststandards fordert. Auch Bundesminister Buchinger hat diese Erklärung unterschrieben, was jedenfalls zu befürworten ist. Hier muss man schon eines sagen: Solange die EU ausschließlich oder hauptsächlich ein Wirtschaftsbündnis ist, wird das auch von der Bevölkerung so wahrgenommen. (Unruhe im Saal.) – Störe ich? (Heiterkeit.)

Wenn wir uns alle in Sonntagsreden immer wünschen, dass es mehr Identifikation mit Europa, mehr Europa-Gesinnung sozusagen geben soll, dürfen wir uns nicht wundern, wenn das nicht fortschreitet, solange die EU sich auf eine wirtschaftliche Ebene beschränkt, wie es leider meistens der Fall ist. Eine Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit der EU kann es nur geben, wenn die EU sich stärker in sozialen Bereichen


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