BundesratStenographisches Protokoll747. Sitzung / Seite 70

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

chen Regelung sagt oder doch zustimmt. Daher wird die Einzelverhandlung wahr­scheinlich in der Praxis nicht so stattfinden, selbst dann, wenn sie auf dem Papier so schlecht nicht klingt.

Die Befürchtung, dass bei überlangen Arbeitszeiten über einen längeren Zeitraum das Unfallrisiko steigt, ist auch seitens der Ärztekammer geäußert worden. Auch die Ärzte­kammer hat gesagt, dass das Risiko wahrscheinlich steigen wird. Hoffen wir, dass das nicht der Fall ist! Allerdings weiß man, dass, wenn zu lange gearbeitet wird, das Risiko tatsächlich größer ist.

Dass es einen 25-prozentigen Zuschlag bei Teilzeitarbeit geben wird, was von Kollegin Kemperle so sehr begrüßt wurde, hört sich im ersten Moment für die Teilzeitbeschäftig­ten gut an. Wenn man sich jedoch im Gesetz die Aber-Bestimmungen ansieht, in de­nen es dann heißt, dass der Zuschlag nur unter bestimmten Umständen ausbezahlt werden kann, dann merkt man, dass von diesem großartigen 25-Prozent-Zuschlag nicht mehr sehr viel übrig bleibt.

Entscheidend, wenn wir über Arbeitszeiten reden, ist, dass es eine tatsächliche Verein­barung geben soll und das Verhältnis halbwegs ausgeglichen sein sollte. Natürlich ist mir klar, dass ein Betrieb gewisse Erfordernisse hat, auf die er auch Rücksicht nehmen muss, wenn er Dienstleistungen anbietet oder wenn er produziert. Da kann man natür­lich nicht einseitig sagen, dass die Rechte des Arbeitnehmers der bestimmende Faktor sind, wie der Wirtschaftsstandort zu funktionieren hat. Das ist schon klar! Das Verhält­nis darf aber auch nicht umgekehrt sein, dass der Wirtschaftsstandort ganz allein be­stimmt und der Arbeitnehmer sich zu fügen hat.

Ich weiß, dass der Herr Minister sagen wird, dass man genau das mit dem Gesetz er­reichen will. – Ich sehe das nicht so, denn ich meine, dass man den Menschen nicht nur als reines Arbeitstier sehen kann. Es bedarf in diesem Zusammenhang sehr wohl einer ganzheitlichen Betrachtungsweise, denn jeder Arbeitnehmer hat auch eine fami­liäre Situation und auch noch andere Interessen, denen er auch nachgehen soll, denn sein Leben soll ja nicht allein von Arbeit bestimmt sein. Daher wäre es wichtig, dass man auch auf die familiäre Situation eingeht.

Herr Minister! Ich kann mich noch erinnern, dass Sie, als ich das erste Mal im Bundes­rat war, damals als Familienminister das Familien-Audit gemacht haben. Dabei wurde darauf geachtet, dass die familienfreundlichsten Betriebe ausgezeichnet werden. Ge­nau das vermisse ich jetzt aber in dieser Vorlage. Einerseits klingt es nämlich be­stechend, wenn ich vereinbaren kann, dass ich zwar 60 Stunden in der Woche arbeite, dann aber Freitag, Samstag und Sonntag frei habe und mit der Familie verbringen kann, also mehr Zeit für die Familie habe. Andererseits brauchen die Kinder aber – und Sie als Familienvater wissen das! – ihre Eltern oder wenigstens einen Elternteil täglich. Wenn die Eltern die ganze Woche nicht da sind, nützen auch der beste Hort oder die beste Tagesmutter nichts, denn die Kinder brauchen ihre Eltern täglich.

Daher halte ich diese Regelung für wirklich familienfeindlich! Gerade Sie als Familien­partei beschwören immer wieder zu Recht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Stärkung der Familien. Das findet sich aber in diesen Gesetzen nicht wieder! Ihren Spruch, den Sie immer wieder bringen: Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es den Menschen gut!, unterstütze ich diesfalls nicht! (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Selbstverständlich brauchen wir die Wirtschaft, und selbstverständlich muss sie auch unterstützt werden, das Verhältnis muss aber, wie gesagt, halbwegs ausgeglichen sein. Ich finde es wirklich schade, wenn die Familien unter diesen Regelungen leiden, und es wäre wirklich wesentlich, darauf zu schauen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf tatsächlich möglich gemacht wird, was ja noch immer nicht der Fall ist.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite