BundesratStenographisches Protokoll748. Sitzung / Seite 85

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Öhlinger meint: Auch die aktuellen Fälle sind nach geltendem Recht positiv lösbar. Professor Funk sagt: Diese Fälle sind allesamt menschenrechtswidrig. Hier gibt es ein falsches Grundverständnis der Behörde. Im Vordergrund für den Staat müsse der Schutz des in Artikel 8 der Menschenrechtskonvention verankerten Privat- und Familien­lebens sein und nicht das staatliche Eingriffsrecht in die Grundrechte.

In der Praxis – wenn man schon sagt: Alles ist rechtens! – wird diese Abwägung umgedreht. Es geht hier nicht um Gnade, es geht um Recht! Wenn eine Behörde in Österreich fünf Jahre braucht, um zu entscheiden, ob eine Familie hier bleiben kann oder nicht, die Kinder zum Beispiel alle vier Volksschulklassen machen lässt – und das zeigt es ja, jeder einzelne Fall, der hier öffentlich diskutiert wird, wie diese Menschen integriert sind: Nichts von Fremdenfeindlichkeit! Da demonstrieren die Frankenburger zu Hunderten! Da kommen die Wieselburger in Bussen nach Wien, um zu demonstrieren und zu fordern: Wir wollen, dass Denis in Wieselburg bleiben darf und dort Kellner werden darf!

Und, Herr Dr. Kühnel, es gibt etwas in unserer Bundesverfassung – vielleicht wissen Sie es oder auch nicht –, das nennt man Ermessensspielraum, ein Handlungs­ermessen und das Auswahlermessen. Und interessanterweise wird dieser Handlungs­spielraum oder dieser Ermessensspielraum immer wieder zu Lasten jener, die hier das Gesetz anrufen, genutzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, es nützt nichts, wenn Kanzler Gusenbauer zwar die richtigen Worte sagt, dass das alles „grauslich“ ist. (Zwi­schenruf des Bundesrates Mayer.) – Nein, er sagt, es ist grauslich, was hier passiert. Das heißt, er kritisiert es. Aber die Geschichte beurteilt eine Regierungs­periode nicht nach dem Innenminister – wer weiß noch, wer wann Innenminister war? –, sondern immer nach den Epochen. Und es kann doch nicht angehen, dass die Kanzlerschaft Gusenbauer damit in die Geschichte eingeht, dass es Hunderte Fälle von grauslichen Abschiebungen von integrierten Menschen gab.

Sie finden ja, dass Sie völlig am Boden sind. Nur: Es läuft Ihnen irgendwie die Zustim­mung in der Bevölkerung davon. Wenn ich zum Beispiel ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Die Mehrheit der Bevölkerung ...!)

Hier ist jemand ganz laut. Das ist der Herr Dr. Kühnel. Den habe ich erst unlängst in der Staatsoper gesehen. (Bundesrätin Roth-Halvax: Ist das verboten?) – Nein, ich war ja auch dort, sonst hätte ich ihn ja nicht sehen können! (Bundesrat Konecny: Und wer von euch war auf der Bühne? – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel. – Weitere Zwischenrufe. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) – Danke!

Der Direktor dieses Hauses, das Kühnel zu besuchen pflegt, sagt:

„Gesetze werden von Menschen für das Wohl der Menschen gemacht. Wenn diese aber zum Nachteil und zum Unwohl der Menschen angewendet werden und sie ihre humanistische Grundlage verlieren, dienen sie nicht mehr zu des Menschen Wohl, sondern wie im Fall Arigonas zu deren seelischer Vernichtung.“ – Ioan Holender.

Oder – das ist auch für die ÖVP vielleicht ganz interessant –: Einer der großen Dichter der Gegenwart, Franzobel, meint:

„Als Christen lernen wir, dass Maria und Josef in Bethlehem kein Quartier fanden, in einem Stall wohnen und den Erlöser zur Welt bringen mussten, wir empören uns über die Hartherzigkeit der Bewohner Bethlehems. Und selber sind wir noch weit schlimmer. Ich sehe nicht, wie sich die Volkspartei mit ihrem Standpunkt im Fall Zogaj noch christlich nennen kann.“

 


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