BundesratStenographisches Protokoll751. Sitzung / Seite 108

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Seit 09/11 versucht doch irgendwie jede Gesellschaft, an den Freiheits- und Bürger­rechte zu „drehen“, sie zu reduzieren. Da heißt es immer: Was können wir? Können wir die Rasterfahndung, den Lauschangriff, die „Trojaner“, die Genmusterabdrücke, die Vorratsdatenspeicher, Fingerabdrücke, Videoüberwachung et cetera ein bisschen stär­ker einsetzen? Es geht doch immer mehr in Richtung Überwachungsstaat.

Herr Bundesminister Platter, seit 48 Stunden liegt eine Petition auf, und in diesen 48 Stunden haben diese bereits 7 660 Menschen unterschrieben. Ich nehme an, bis zum Ende der Plenarsitzung des Bundesrates morgen wird bei diesen Unterschriften die 10 000er-Grenze längst überschritten sein. Diese Petition verlangt: zurück mit die­sem Sicherheitspolizeigesetz, das übrigens – ich bin dankbar dafür, dass das Jürgen Weiss heute gesagt hat – allein in dieser Bundesratssitzung eine dreifache Änderung erfährt. Da weiß ja ganz offensichtlich die rechte Hand nicht, was die linke tut! Es wird bei diesem Sicherheitspolizeigesetz ununterbrochen und immer mehr in Richtung eines polizeilichen Ermächtigungsgesetzes hingearbeitet – ohne dass das, Herr Kollege Kühnel, mehr Sicherheit schaffen würde. Die Wahrung der Privatsphäre jedes Einzel­nen ist ein Grundrecht, aber diese Privatsphäre – auch Ihre, Herr Kühnel – ist gefähr­det. Gleichzeitig werden für diese Technologie sehr, sehr viele Millionen an Euro ver­schwendet.

Eine einseitige Sicherheitspolitik, die die Freiheit gefährdet, schafft keine Sicherheit, sondern führt dazu, dass sich immer mehr Menschen in unserem Land unfreier fühlen. Schauen wir uns doch nur die Stellungnahmen der letzten Zeit dazu an. Kollege Ko­necny ist ja einer der Bundesräte, die hier sehr oft zum Rednerpult gegangen sind und die Politik des „speed kills“ aus schwarz-blauen Tagen kritisiert haben, aber: „Speed kills“ der Marke Rot-Schwarz ist noch mehr Huschpfusch als das, was uns in den Jah­ren der beiden Schüssel-Regierungen dazu vorgesetzt wurde!

Auch die Österreichische Liga für Menschenrechte – Kollege Schöls, für den Fall, dass du nicht weißt, wer dort im Präsidium sitzt: der ehemalige Zweite Nationalratspräsident Heinrich Neisser – führte aus, dass die Grundrechte unter der mit Verfassungsmehrheit regierenden großen Koalition stärker gefährdet sind, als das unter der schwarz-blauen Koalition der Fall gewesen ist. (Bundesrat Schöls: Die Überheblichkeit ist wirklich durch nichts mehr zu überbieten!) – Das sagte Heinrich Neisser.

Und weiters meinte zum Beispiel auch der Anwalt Georg Bürstmayr, dass derzeit ein höheres Risiko für die Menschenrechte bestehe als in den Jahren der schwarz-blauen Koalition.

Die Richterin und ehemalige Präsidentin der Richtervereinigung Barbara Helige meint, dass die neuen Überwachungsmöglichkeiten der Sicherheitsbehörden, ohne Begutach­tungsverfahren durchgepeitscht, eine Schande seien, und sie sieht eine europaweite Tendenz, Freiheitsrechte – jetzt sind wir wieder beim Kollegen Kühnel – „auf dem Altar der vorgeblichen Sicherheit zu opfern“. Die ehemalige Vorsitzende der Richterver­einigung warnt auch vor einem „Überwachungsstaat“. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls.) – Bist du unsicher, ob die Zitate stimmen? (Bundesrat Schöls: Dass die Überwachung im Straßenverkehr ...! Das ist ein gewisser Widerspruch! Denk einmal drüber nach!)

Statt den Richtern kommt nun der Rechtsschutzbeauftragte – etwas, was wir schon aus anderen Bereichen als recht zahnlos kennen. Ich erinnere mich, dass Kollege Rei­senberger, glaube ich, das in einem anderen Zusammenhang hier scharf kritisiert hat.

Der Innenminister ernennt nun einen Rechtsschutzbeauftragten, der den Richter als Kontrolle ersetzt. Nur: Dieser Rechtsschutzbeauftragte ist wahrlich zahnlos. Er hat ein bloßes Informationsrecht, er kann keinen Einspruch gegen die Maßnahmen erheben, und er kann keine Sanktion bei Verdacht auf Missbrauch der polizeilichen Befugnisse


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