Diese 16 Prozent der Schüler, die nicht sinnerfassend lesen können, sind Grund zu großer Besorgnis, denn Lesen ist die Grundvoraussetzung dafür, dass man sich Wissen aneignen kann. Wenn man das nicht beherrscht, dann hat man auf jeden Fall, in jeder Form von Bildung, ob das in der AHS ist, ob das für die Matura ist oder ob das in der dualen Ausbildung ist, große Probleme. Dagegen muss unbedingt etwas unternommen werden.
Welche Schlussfolgerungen ziehen wir jetzt aus diesen beiden aktuellen Studien, die jetzt vorliegen? – Wir wissen, dass nach wie vor die Chancen der Kinder im Bildungssystem ganz massiv vom sozialen Status und vom Bildungsgrad der Eltern abhängen, und zwar in Österreich viel mehr als in anderen Ländern. Ich meine nicht, dass jedes Kind die Matura machen soll. Warum auch? Wenn jemand lieber eine andere Ausbildung macht, bitt gerne, aber jedes Kind sollte dieselbe Chance haben, zur Matura zu kommen, später ein Studium zu machen. Aber das ist momentan faktisch nicht der Fall.
Die zweite Schlussfolgerung ist, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund im Schulsystem benachteiligt sind, dass sie schlechter abschneiden; darauf komme ich später noch zu sprechen.
Ich glaube, man sollte keineswegs fasziniert vor diesen Studien sitzen und sagen: Ah, wir haben uns um zwei Plätze verbessert, das ist super, damit sind wir auf dem richtigen Weg!, denn ist es an und für sich egal, ob wir uns um einen Platz auf oder ab bewegt haben, die Frage ist vielmehr: Welche Aufträge leiten wir daraus ab, wie müssen wir uns jetzt im Bildungssystem weiterentwickeln?
Ich finde, die wichtigste Aufgabe des Schulsystems ist, dass es soziale Unterschiede ausgleicht, dass es Kindern die Möglichkeit gibt, auf einer Basis in das Leben zu starten, die sie vielleicht aufgrund ihrer Herkunft nicht unbedingt haben.
Die Gemeinsame Schule fordern wir nicht deswegen, weil sie automatisch zu besseren Ergebnissen führen würde, sondern deshalb, weil sie die sozialen Unterschiede ausgleichen kann. Die Frage des pädagogischen Ergebnisses, welche Leistungen – um bei den Worten der Frau Mühlwerth zu bleiben – die Kinder dann erbringen, ist eine andere Sache, und die ist nicht allein von der Organisationsstruktur abhängig. Mir geht es um die Frage der Gerechtigkeit, um den sozialen Ausgleich, um gleiche Chancen. (Beifall bei den Grünen.)
Auch ich war bei der Enquete zum Thema „Bildung – Beruf – Wirtschaft – mehr Chancen für Alle“, die der Bundesrat vor zirka zwei Wochen veranstaltet hat, und ich kann sagen: Ich war überrascht und erfreut, dass es einen wirklich unverdächtigen Zeugen gegeben hat, der sich auch für die Gemeinsame Schule ausgesprochen hat, und zwar war das ein Vertreter der Wirtschaftskammer Österreich, und der hat sich gewünscht, dass man ideologiefrei und evidence-based über diese Themen diskutiert. Ich kann das nur unterschreiben!
Bitte reden wir über das, was auf dem Tisch liegt! Das ist wieder das Bild wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Wir reden seit Jahren darüber, dass wir eigentlich alle wissen, wie die Situation ist, was man dagegen unternehmen kann, aber aus irgendeinem Grund ist es noch nicht möglich, die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Zum Punkt der Modellregionen möchte ich sagen: Ich glaube, um das Ziel zu erreichen, dass alle Kinder dieselben Chancen haben, nützt es nichts, wenn ich eine zusätzliche Schule habe, die quasi als Gemeinsame Schule gilt. Das Wesen der Gemeinsamen Schule ist es doch, dass alle Kinder der gleichen Altersgruppe in derselben Ausbildung sind. So, wie das jetzt ausschaut, wird es damit leider nichts werden.
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