Um auf die Kinder mit Migrationshintergrund zurückzukommen: Sie werden wahnsinnig gerne als die Sündenböcke für schlechtes Abschneiden in irgendwelchen internationalen Studien verwendet. Tatsächlich sind zum Beispiel in der Risikogruppe, wo es um das sinnerfassende Lesen geht, ein Viertel der Schüler Kinder mit Migrationshintergrund. Jetzt frage ich mich, ob dieses eine Viertel wirklich die gesamte Schule im Ergebnis nach unten zieht. Was ist mit den restlichen drei Vierteln der Schüler, die keinen Migrationshintergrund haben und da ebenfalls schlecht abschneiden? Also das schlechte Ergebnis den Kindern mit Migrationshintergrund anzuhängen, ist unfair und bringt, finde ich, keinem der Betroffenen irgendetwas.
Es gibt Länder – die klassischen Einwanderungsländer, wie beispielsweise Kanada oder Australien –, in denen die Kinder der zweiten Generation mindestens gleich gute Ergebnisse, wenn nicht bessere Ergebnisse als einheimische Kinder erzielen.
Es gibt meiner Meinung nach vier Faktoren, die die Chancen von Kindern mit Migrationshintergrund im Bildungssystem massiv beeinflussen.
Das ist erstens die Dauer der Pflichtschule. – Je länger die Pflichtschule dauert, umso größere Chancen haben diese Kinder. In Österreich ist sie im internationalen Vergleich relativ kurz.
Das ist zweitens das Alter beim Schulbeginn beziehungsweise beim Besuch der Vorschule und schon des Kindergartens. – Das ist ein Problem, das wir alle kennen. Es ist so, dass vor allem Kinder mit Migrationshintergrund, zum Beispiel solche aus türkischen Familien, nicht oft einen Kindergarten besuchen. Das wäre aber wichtig, um die Sprache zu erlernen. Auch ich bin für einen Gratiskindergarten. Wenn die Frau Mühlwerth das jetzt so auslegt, dass wir auf eine ihrer Forderungen aufgesprungen sind, dann kann ich nur sagen: Wir sind uns auch einig darüber, dass wir gerne schönes Wetter haben. Aber das heißt nicht, dass wir politisch einer Meinung sind. (Beifall bei den Grünen.)
Ich bin sehr wohl dafür, dass es einen Gratiskindergarten gibt. Ich finde auch, dass es verpflichtend sein sollte, dass Kinder einen Kindergarten besuchen, weil sie nur so die Sprache erlernen können. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass zwei Jahre Kindergartenbesuch eine gute Auswirkung haben, dass Kinder, die zwei Jahre eine Vorschule oder einen Kindergarten besucht haben, wirklich ein viel besseres Sprachvermögen haben. Insofern sollte man wirklich in die Richtung gehen, dass es nicht eines, sondern tatsächlich zwei Jahre sind.
Dritter Faktor, der die Chancen beeinflusst, ist die Selektion. – Je früher die Selektion stattfindet – wir wissen, bei uns im Alter von zehn Jahren –, umso schwieriger haben es Kinder mit Migrationshintergrund, umso mehr von diesen Kindern befinden sich dann in der Hauptschule.
Die Wochenstundenanzahl ist der vierte Punkt. – Diese ist in Österreich relativ niedrig. Das heißt, man muss viel Arbeit für die Schule zu Hause machen. Und da ist die Frage von Relevanz: Habe ich Eltern oder Großeltern, die mir bei der Hausaufgabe helfen können, die mir etwas erklären können oder die es sich leisten können, mir Nachhilfe zu zahlen? Das ist eben sehr oft nicht der Fall.
Dass die soziale Schicht einen massiven Einfluss hat, habe ich schon erwähnt, ich möchte jetzt nicht noch länger darauf eingehen, aber gerade aus diesem Grund sind eben Kinder mit Migrationshintergrund wirklich doppelt benachteiligt. Denn: Einerseits haben ihre Familien überdurchschnittlich oft einen geringen Bildungsgrad, kommen aber andererseits auch überdurchschnittlich oft aus einer niedrigen sozialen Schicht. Eine Zahl zum Nachdenken: Nur ein Viertel der Migrantinnen und Migranten in Österreich erreicht den durchschnittlichen sozioökonomischen Status von österreichschen
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