BundesratStenographisches Protokoll753. Sitzung / Seite 40

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

den wir tief ins Prinzip der Gewaltenteilung ein. Das heißt, es können hier nicht Regierungsmitglieder und Mandatare in derselben Ebene sitzen! Das ist eine parla­men­tarische Kammer. Alle Landeshauptleute sind Regierungsleute, sind Exekutive und sitzen daher auf der Regierungsbank und nicht auf einer Abgeordnetenbank.

Ich weiß, lieber Jürgen Weiss (Bundesrat Weiss: Dass du das selbst vertreten hast!), dass ich das einmal vertreten habe, und deshalb kann ich auch über meine eigenen Vorschläge sprechen. Aber die Diskussionen, die wir seither geführt haben, haben mir deutlich gemacht, dass eine solche Vermischung und eine Aufhebung der Gewalten­teilung ein schlechter Dienst am Parlamentarismus sind. Deshalb bin ich auch heute herausgegangen, um das hier noch einmal klar und eindeutig festzustellen.

Herr Landeshauptmann! Sie haben behauptet, Herr Professor Van der Bellen hätte Ihnen eine Klage angedroht. Ich muss Sie hier berichtigen: Sie werden keine Zeile und kein Zitat von Herrn Professor Van der Bellen nachweisen können, dass er das gesagt hat. Das ist also eine Erfindung. Er hat das nicht gesagt, er hat niemals eine Klage angedroht.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Als ich das gehört habe, war ich tief betroffen! Ich weiß nicht: Ist es nur das Motto gewesen – ein schäbiges Motto –, einmal etwas fallen zu lassen und zu schauen, wie viel angepatzt wird? Wussten Sie nicht, dass die Familie Van der Bellen seit der Oktoberrevolution in Russland auf der Flucht vor der Roten Armee ist? Wussten Sie nicht, dass die Familie Van der Bellen seit 1917 auf der Flucht ist? Dass sie nach einer Flucht ins Baltikum vor dem Hitler-Stalin-Pakt aus dem Baltikum zu flüchten hatte? Und, bevor die Rote Armee vor den Toren Wiens stand, auch aus Wien zu flüchten hatte, da die Familie Van der Bellen seit der Oktober­revolution auf der Fahndungsliste der Roten Armee stand?

Herr Landeshauptmann, wenn Sie so ein Gerücht streuen, dann stünde es Ihnen gut an, sich dafür auch öffentlich zu entschuldigen und nicht bloß zu sagen: Ich habe nur etwas gehört und zitiert. Wir alle wissen, dass das die schäbigste Form von Ehrab­schneidung ist. Der Landeshauptmann von Kärnten hat das in seiner politischen Karriere – „ich habe etwas von einem betrunkenen Schuldirektor gehört“, und so weiter – zu oft benützt, und im Nachhinein hat es sich als unwahr herausgestellt.

Herr Landeshauptmann! „Internierungslager“ ist ein Begriff aus dem Krieg. Aber es herrscht kein Krieg! Es herrscht auch kein Krieg gegen Menschlichkeit; und es herrscht auch kein Krieg gegen das Grundprinzip, Asylsuchenden Asyl zu gewähren.

Wenn wir heute hier in Kürze den Sicherheitsbericht 2005/2006 mit Ihrem Landsmann Minister Platter diskutieren werden, werden wir sehen, dass bei der Quotenerfüllung, beim Vertrag Bund/Länder, das Land Tirol mit 65 Prozent das weit abgeschlagene Schlusslicht bei der Erfüllung der Betreuungspflichten Asylsuchenden gegenüber ist und damit die rote Laterne in diesem Bereich, eine schäbige rote Laterne, von Vorarlberg übernommen hat. Jürgen Weiss weiß, wie sehr ich Vorarlberg in dieser Sache gerügt habe – ich habe dafür hier meinen ersten Ordnungsruf erhalten –: Vorarlberg liegt heute bei über 86 Prozent, Tirol liegt bei 65 Prozent.

Ein reiches Land wie Tirol hat das nicht notwendig, Herr Landeshauptmann! Ein reiches Land wie Tirol braucht auch nicht eine Diskussion über Internierungslager zu beginnen, einen Begriff, den wir aus kriegerischen Auseinandersetzungen kennen, aber nicht aus einer Zeit, in der Menschen Aufnahme und Unterstützung bekommen – aber auch nicht alle. Natürlich gibt es auch Fälle, in denen wir sagen müssen und zu Recht sagen müssen: Es geht nicht, oder es sind Ausschließungsgründe vorhanden.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite