BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 70

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partner darauf vertrauen kann, dass er im Mainstream der Europäischen Union gut ein­gebettet ist. Das ist eine traurige Entwicklung. Natürlich legen wir Wert darauf, dass wir, wenn es das schon gibt und wenn wir damit rechnen müssen, dass im kritischen Bereich rund um unsere Landesgrenzen in den nächsten Jahrzehnten weitere Atom­kraftwerke entstehen können, zumindest ein Höchstmaß an Sicherheit, ein Höchstmaß an Information und ein Mindestmaß an Mitsprache erreichen.

Darin kann eine realistische Anti-Atompolitik bestehen. Alles andere ist Selbsttäu­schung. Kraftmeierei hat noch nie jemandem Erfolg gebracht. Das ist eine bedauer­liche Tatsache, aber ich erinnere mich wirklich mit großem Unbehagen an jene tempo­räre Zuspitzung der Auseinandersetzung um Temelín, wo eigentlich, wären wir noch im 19. Jahrhundert gewesen, ein „netter, kleiner Krieg“ die nächste Stufe gewesen wäre. – Ich glaube nicht, dass man mit Grenzblockaden und Gegenmaßnahmen der tschechi­schen Seite, mit einer permanenten Hochschaukelung irgendetwas Positives erreichen kann.

Wir haben, bei aller Kritik im Detail, den Melker Prozess begrüßt. Wir haben mit Be­dauern zur Kenntnis nehmen müssen, dass nicht auf Drängen der tschechischen Seite, sondern auf Drängen anderer EU-Mitgliedstaaten, die ihre eigene Atompolitik verfol­gen, beim Brüssler Vertrag eine entsprechende europarechtliche Verankerung, die ur­sprünglich vorgesehen war, gefallen ist.

Wir können in Verantwortung für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger – vor allem in grenznahen Bereichen – nur versuchen – und das ist nicht wenig –, ein Höchstmaß an Information zu erreichen und unseren jeweiligen Partner – das ist jetzt in diesem Fall die Tschechische Republik, es gilt aber genauso für Deutschland, es gilt genauso für die Slowakei, es gilt genauso für Slowenien und Kroatien – mit unseren Vorbehalten zu konfrontieren.

Das Melker Abkommen hat in einem wichtigen Punkt, in dem es zweifelsfrei von der tschechischen Seite verletzt wurde, die Vorlage von sicherheitstechnischen Nachwei­sen vor Aufnahme des kommerziellen Betriebes vorgesehen. Es ist das – wer das nicht mitbekommen hat, muss sich permanent aus dem Sitzungssaal entfernt haben – ein wesentliches Thema unserer Diskussionen mit der tschechischen Seite. Dieser gra­vierende Regelverstoß ist und bleibt eine Tatsache, weil der kommerzielle Betrieb längst aufgenommen wurde. Unser Protest dagegen ist in höchstem Maße legitim, aber mit dem Protest dagegen kann man das Verfahren nicht abschließen.

Die Gründung der parlamentarischen Temelín-Kommission, der der Ausschuss des Nationalrates bei der Behandlung dieser Vorlage seine ausdrückliche Unterstützung zugesichert und die er zum Weitermachen ermutigt hat, hat immerhin eines bewirkt – und das sage jetzt nicht ich, der ich mehr oder weniger zufällig Vorsitzender der öster­reichischen Seite dieser Kommission bin, sondern das sagen jene kritischen Wissen­schafter, die die Bedenken in vielen Bereichen formuliert, vorgebracht und verhandelt haben: Der Prozess hat jedenfalls mit sich gebracht, dass die tschechische Seite ihre Informationsblockade – das ist eine Tatsache, die sie über lange Strecken aufrecht­erhalten hat – aufgegeben hat.

Wir haben zu einer Reihe von Fragen – nicht zu allen Fragen, da haben Sie recht – In­formationen erhalten, die eine Neubewertung österreichischer Standpunkte ermögli­chen. Wir haben in einem ganz konkreten Fall – im Fall der Erdbebensicherheit – die Einrichtung eines langfristigen wissenschaftlichen Forschungsprogramms erreicht, im Zuge dessen bestimmte mögliche Verwerfungen von einem gemeinsamen Wissen­schafterteam aufgegraben und untersucht werden sollen. Das ist mehr, als wir erwar­ten konnten.

 


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