BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 71

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Das gegenständliche Abkommen ist naturgemäß keines, das Maßnahmen kerntechni­scher Art in der Tschechischen Republik von der österreichischen Zustimmung abhän­gig macht. Nein, das ist es nicht.

Es ist das ein Informationsabkommen und geht weit über das hinaus, was im ursprüng­lichen Abkommen mit der Tschechoslowakei festgelegt wurde. Es geht aber auf der Informationsseite auch weit über das hinaus, was im Melker Vertrag und im Brüssler Vertrag festgelegt wurde. Bei der Konkretisierung der Bestimmungen, die diesen bei­den Abkommen zu Grunde gelegt sind, hat sich die tschechische Seite bereit erklärt, wesentlich weiter zu gehen, als es unbedingt notwendig gewesen wäre, was von uns begrüßt wurde.

Womit Sie recht haben – die Formulierung, die Sie gewählt haben, ist im günstigsten Fall unbeholfen, im ärgsten Fall ist sie eine Fälschung –: Die Frage, was der Rechts­status des Melker Abkommens und jedes weiteren ist, ist naturgemäß immer noch zwi­schen den beiden Staaten umstritten. Zu sagen, die tschechische Seite hat die völ­kerrechtliche Verbindlichkeit des Abkommens angezweifelt, ist falsch. Was die tsche­chische Seite nicht anerkennt und was die österreichische Seite höchst verständlich fordert, ist, dass diese Verträge als völkerrechtliche und nicht als bilaterale Verträge angesehen werden. – Der praktische Unterschied hält sich in Grenzen.

Der Nationalrat hat zwar einen Entschließungsantrag beschlossen, in dem er eine so­genannte Völkerrechtsklage bei der Regierung in Auftrag gegeben hat. Wer immer die­sen Antrag literarisch gedichtet hat, hat nicht zu den Bestberatenen gehört. Es gibt kein völkerrechtliches Bezirksgericht, an das man sich wenden kann, wenn man eine Be­schwerde gegen einen Nachbarstaat hat. Das Völkerrecht kennt Streitbeilegungsme­chanismen in einem unendlich komplizierten Verfahren, dem so genannten La Valetta-Verfahren im Rahmen der OSZE. Es ist aus guten Gründen noch nie angewendet wor­den, weil es eben so komplex ist.

Zwei Staaten, die bereit sind, sich dem Urteil des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag zu unterwerfen, können mit einem Streitfall vor diesen Gerichtshof ziehen. Dazu ist die völkerrechtliche Verbindlichkeit einer Vereinbarung keineswegs die Vor­aussetzung. Der Internationale Gerichtshof hat auch schon Grenzstreitigkeiten beige­legt, die bilateral bestanden haben, aber die Voraussetzung ist, dass beide Seiten sich dem Schiedsspruch, also dem Urteil, unterwerfen und diese Erklärung vor Eingang in das Verfahren abgeben. Da kann man dann auch nicht mehr heraus.

Die tschechische Seite hat in Bezug auf Temelín – wobei der materielle Inhalt einer solchen Klage noch zu klären wäre – eine solche Bereitschaft nicht erkennen lassen. Alles andere, was das Völkerrecht als Streitbeilegungsmechanismus vorsieht, sind bilaterale Verfahren, wo man zu Lösungen zu kommen versucht. Wie gesagt, es gibt kein völkerrechtliches Bezirksgericht, bei dem eine Klage eingebracht wird und dann das Verfahren in Gang kommt.

Bilateral verhandeln können wir – unabhängig von den Rechtsstandpunkten – trotz­dem. Ich stehe zu dem Standpunkt, dass wir für die völkerrechtliche Verbindlichkeit eintreten, und auch der Ausschussbericht weist darauf hin, dass es sich nach österrei­chischer Auffassung um einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag handelt; selbstver­ständlich.

Die tschechische Seite hat an der Verbindlichkeit des bilateralen Vertrages – Melker Abkommen, Brüsseler Abkommen und natürlich auch dessen – nicht den geringsten Zweifel gelassen. Jawohl, wir sind uns darüber einig, dass beide Staaten zu diesem Vertragstext stehen. Wir Österreicher hätten uns bei den Verhandlungen über dieses Abkommen eine Schiedsinstanz gewünscht, die nicht bilateral zusammengesetzt ist,


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