BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 106

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wurde festgestellt, dass die Bevölkerung in der Europäischen Union durch Neubeitritte auf damals fast eine halbe Milliarde Menschen angestiegen ist; was das Flächenaus­maß anlangt: 4 Millionen Quadratkilometer. Und trotz dieses Anstieges und einer Aus­dehnung auf fast 25 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt – umgerechnet auf die „neue“ EU-Bevölkerung – um 8 Prozent pro Kopf gesunken.

Ich glaube, darin liegt die Problematik der Wirtschaftspolitik, die ich auch im Zusam­menhang mit der Außenpolitik sehe, denn wir in der Europäischen Union stehen mit der Wirtschaft in einem Wettbewerb – und haben eigentlich sehr homogene und große „Mega-Volkswirtschaften“ als Gegenüber. Ich denke in diesem Zusammenhang etwa an die Vereinigten Staaten, an China, an Indien oder Japan.

Da kommt jetzt die, wie ich meine, große Nagelprobe für die Europäische Union: Sind wir in der Lage, in diesem internationalen Wettbewerb unsere soziale Marktwirtschaft aufrechtzuerhalten? – Da kehre ich jetzt wieder zurück zur Europäischen Union und muss sagen: Wenn ich die Dokumente der Europäischen Union lese, stoße ich immer wieder auf den Begriff „soziale Marktwirtschaft“; da liest man immer wieder von der Europäischen Union, dass sie sich als soziales Projekt versteht.

Da besteht, wie ich meine, ein gewisses Spannungsverhältnis, das es zu lösen gilt. Es gibt dazu noch eine interessante Zahl: Wenn man die Disparität neue EU-Länder und ältere EU-Länder betrachtet, sieht man, dass sich dabei ein Verhältnis 1 : 5 zeigt. Das ist eine große Spanne!

Das Rezept, das wir da benötigen, ist sicher eine Harmonisierung auch auf dem Steu­ersektor. Herr Staatssekretär Winkler, das ist eine ganz wichtige Sache, um da nicht völlig den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Dieses Auseinanderklaffen innerhalb der EU, meine Damen und Herren, bringt natür­lich vieles mit sich. Wenn ich etwa nur an die neuen Länder denke: Da gibt es Korrup­tion, eine Produktivität, die unter ganz anderen Bedingungen zustande kommt. Heute hat bereits Herr Kollege Konecny erwähnt, dass es vieler mutiger Unternehmer bedarf, die bereit sind, in diesen Ländern zu investieren – und dass die Rechtssicherheit, die diese Unternehmer haben müssen, Bestandteil unserer Außenpolitik, unserer Politik in der Europäischen Union sein muss. Nichtsdestotrotz meine ich, dass wir unter dem Aspekt der Sicherheit im europäischen Raum nur dann weiterkommen, wenn wir posi­tiv auf die Dinge zugehen.

Ich glaube, das ist auch immer eine Sache der Sichtweise. Es hat heute ein Kollege den tschechischen Außenminister zitiert, der in einem Interview mit den Österreiche­rinnen und Österreichern nicht sehr nett umgegangen ist. Ich habe dasselbe Interview gelesen – es war, glaube ich, im „Kurier“, abgedruckt –, Kollege Kampl, und ich habe da eigentlich etwas ganz anderes herausgelesen als du. Es war natürlich derselbe Text, aber was Fürst Schwarzenberg da gemeint hat, war, dass das Problem zwischen Tschechien und Österreich eigentlich das ist, dass wir eine Familie sind. Wenn man das Wiener und daneben das Prager Telefonbuch aufschlägt, dann – hat Schwarzen­berg gemeint – traut er sich nicht zu wetten, wie viele deutsche und österreichische Namen er im Prager Telefonbuch findet und umgekehrt. Schwarzenberg hat gemeint, es ist in einer Familie, wo sich die Menschen sehr ähnlich sind, auch kulturell und so weiter, auch wenn sie eine andere Sprache sprechen, eben so, dass sich oft eine Aus­einandersetzung, ein Streit entwickelt.

Ich glaube, das ist auch der Zugang: Man muss sich miteinander auseinandersetzen, und wenn man da bestimmte Worte auf die Waagschale legt, dann schürt man nur Ärgernisse. Es ist heute schon erwähnt worden, wenn auf gewissen Hauptdurchzugs­routen Plakate in der Sprache eines anderen EU-Landes aufgestellt werden, und man dabei eben nicht sehr nett umgeht mit diesen Menschen, dann fördert das weder einen


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