BundesratStenographisches Protokoll754. Sitzung / Seite 114

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Entwicklungszusammenarbeit. Das vergisst man manchmal. Man denkt, wenn man vom Balkan spricht, immer nur daran, dass österreichische Unternehmungen investie­ren. Das ist richtig, das ist gut so, und wir profitieren auch davon. Aber auch die öster­reichische Entwicklungszusammenarbeit beschäftigt sich sehr intensiv mit dieser Re­gion. – Das ist das eine.

Der zweite Aspekt ist der, dass wir im Rahmen der Europäischen Union geradezu die Bannerträger für die europäische Perspektive dieser Länder sind und immer wieder, manchmal auch gegen die Meinung sehr vieler anderer Länder, dafür eintreten, dass diese europäische Perspektive auch Realität wird. Das heißt, bitte schön, nicht – das möchte ich auch betonen –, dass hier irgendwelche Abkürzungen gegangen werden können. Das heißt nicht, dass Geschenke verteilt werden. Das heißt auch nicht, dass wir von den sehr strengen Bedingungen, die für eine Aufnahme in die Europäische Uni­on gestellt werden, abgehen sollen. Aber wir sollen diesen Staaten helfen, die Bedin­gungen so rasch wie möglich zu erfüllen.

Das gilt – Sie haben es erwähnt, und andere Redner haben es ebenfalls erwähnt – in ganz besonderem Maße natürlich auch für Serbien. Für Serbien gilt nach wie vor das Angebot der europäischen Perspektive, es gilt das Angebot, in Verhandlungen mit der Europäischen Union über ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen einzutreten, ein solches zu unterschreiben, Kandidat zu werden und Beitrittsverhandlungen zu füh­ren. Dieses Angebot steht auch jetzt noch, da wir uns – zugegebenermaßen, es lässt sich auch überhaupt nicht leugnen – in einer sehr schwierigen und sensiblen Situation befinden, was den Kosovo betrifft.

Ich glaube, dass die Entscheidung, die getroffen wurde, die richtige war. In der Zwi­schenzeit haben 35 Staaten anerkannt, davon 18 EU-Staaten. Ich nehme an, dass es in den nächsten Wochen und Monaten noch mehr werden. Man sollte behutsam, aber deutlich auch unseren serbischen Partnern und Freunden sagen: Bitte, verspielt über diese Frage nicht eure europäische Bestimmung, eure europäische Perspektive!

Was Frau Bundesrätin Konrad gesagt hat, nämlich dass wir, gerade wir Österreicher, uns nicht genügend für die Visa-Freiheit oder die Visa-Erleichterung einsetzen, stimmt schlicht und einfach nicht. Wir sind auch in dieser Frage geradezu die Vorreiter, zum Teil gegen massiven Widerstand, und es ist die Außenministerin gewesen, die sich bei mehr als einem Rat intensiv dafür eingesetzt hat, dass es zu dieser Visa-Erleichterung kommt und gekommen ist. Sie war es auch, die bilateral als Geste des guten Willens, als sie vor einigen Monaten nach Belgrad gefahren ist, 300 EuroRail-Tickets und sozu­sagen das Versprechen, auch die entsprechenden Visa zu erteilen, mitgebracht hat.

Wir setzen uns also ganz massiv dafür ein. Denn es ist richtig, dass es in Wirklichkeit eine Schande ist, dass vor 30 Jahren – oder nicht einmal vor 30 Jahren, sondern vor 25 Jahren – damals noch Jugoslawen, also auch Serben, frei in Europa reisen konnten und dass sie es heute nicht mehr können. Das Ziel muss sein – nicht nur für Serbien, sondern überhaupt für die Staaten in unserer erweiterten Nachbarschaft –, dass auch sie von dieser Möglichkeit, sich in Europa zu bewegen, Gebrauch machen können. Wir werden uns auch weiter dafür einsetzen.

Frau Bundesrätin Konrad, Sie haben über den österreichischen Vorsitz gesprochen und hier einige Kritik angebracht. Ich bin für jede Kritik empfänglich, und wir haben si­cherlich bei Weitem nicht alles durchsetzen können, was wir uns vorgenommen haben. Nur glaube ich, Sie unterliegen ein bisschen einem Missverständnis, was die Natur und die Aufgabe eines Vorsitzlandes ist. Das Vorsitzland hat geradezu nicht die Aufgabe, nationale Interessen durchzusetzen; abgesehen davon, dass ein Vorsitzland das auch gar nicht kann. Ein Vorsitzland bleibt, auch wenn es im Vorsitz ist, immer noch ein


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