BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 49

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Meine Damen und Herren! Jenseits der unbestreitbaren und unbestrittenen Legitima­tion des österreichischen Parlaments in beiden Kammern, diesem Vertrag zuzustim­men, gibt es die Notwendigkeit, in der österreichischen Öffentlichkeit die Diskussion und die Information über die Europäische Union substantiell zu verstärken.

Herr Kollege Kampl hat eine große Anzahl von Fahnen auf seinem Platz versammelt und verleitet mich zu der Bemerkung: Es ist eben so: Gurk, Kärnten und Österreich sind alle Mitglieder der Europäischen Union! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Ing. Kampl: Bravo!)

Aber das ist nicht allen bewusst. (Bundesrat Ing. Kampl: Aber mir! – Heiterkeit.) Große Teile der österreichischen Bevölkerung sind noch nicht in der EU angekommen. Und ich gebe zu, mich hat schon am Beginn – und jetzt sage ich es richtig – des Jah­res 1995 tiefe Skepsis befallen, als ich miterlebt habe, dass das politische Vokabular Österreichs in rasendem Tempo vervollkommnet wurde. Jeder österreichische Politiker hat den Satz „Ich kann nichts dafür – daran sind die Bürokraten in Brüssel schuld!“ in­nerhalb von 14 Tagen nahezu fehlerfrei aufsagen können. Und das war kein gutes Zei­chen. (Ruf bei der ÖVP: Das gilt aber für die SPÖ auch!)

Ich habe gesagt: jeder österreichische Politiker. Gar keine Frage. Das war eine Frak­tionen übergreifende Infektionskrankheit (Heiterkeit), die dem Europabewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher nicht gerade gut getan hat.

Wir sind Teil der EU, mit im Vertragstext beinhalteter Fahne und Hymne oder nicht. Wir beschäftigen uns mit der EU als einer Dimension, in der wir drinnen sind. Es ist keine Diskussion zwischen Österreich und Brüssel. Wir sind einer von 27 Mitgliedstaaten und machen unsere Rechte geltend wie jeder andere Mitgliedstaat auch, aber es ist keine Feindbeziehung. Es sitzt niemand in Brüssel, der das Österreichertum, die öster­reichische Identität oder sonst etwas untergraben will.

Es gibt Interessensgegensätze zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen Mitglied­staaten und der Europäischen Union, aber es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass österreichische Vertreter, die Vertreter der österreichischen Regierung, aber eben auch die österreichischen Parlamentskammern, österreichische Interessen geltend ma­chen werden und aufgrund des Vertrages auch geltend machen können.

Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung, um die Debatte in überschaubaren Grenzen zu halten. Es gibt viele – nicht rasend viele, und schon gar nicht 60 Prozent, aber wir haben alle Mails bekommen –, es gibt viele Menschen, die dagegen sind, dass der Bundesrat diesen Vertrag ratifiziert. Ich habe aus keinem einzigen dieser Texte ent­nehmen können, dass der oder die Betreffende für die österreichische Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist und nur zufällig an Einzelbestimmungen dieses Vertrages Kritik übt. Die Kräfte, die hier mobilisiert wurden, sind jene, die Österreich lieber außer­halb der EU sehen würden. – Die Kollegin Mühlwerth hat das zwar heftig abgestritten, aber der Tenor ihrer Aussagen war genau das.

Ich wende mich jetzt ganz konkret an die potentiellen Gegenstimmen: Wenn Sie wirk­lich austreten wollen, dann müssten Sie eigentlich unbedingt für die Ratifizierung sein, denn dieser Reformvertrag eröffnet zum ersten Mal die Möglichkeit, aus der EU auch wieder auszutreten! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren, zuletzt ist es meine Aufgabe – und das war das, was wir da mit einem hohem Maß an Effizienz noch vom Rednerpult aus erledigt haben –, einen Entschließungsantrag der Bundesräte Konecny, Bieringer, Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Vertrag von Lissabon und die weitere Entwicklung der Europäischen Union einzubringen.

 


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