BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 161

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ner beruflichen Zeit, als ich ein Praktikum auch in einer Justizanstalt gemacht habe, wirklich ein Lied davon singen.

Noch weniger bemerke ich in den Reihen der Verantwortlichen Verständnis für die oft verzweifelte Lage der Weggesperrten. Bei dieser Vereinbarung kann es sich offenbar nur um eine kleine Mängelbehebung handeln, weil das bestehende System regelrecht nach einer umfassenden, modernen Reform schreit. Wir haben jetzt in Österreich eine Situation, in der aufgrund der verwerflichen Vorfälle von Todesfällen, von Selbstmor­den, von korrumpierbaren Beamten der Strafvollzug in der Öffentlichkeit ausschließlich in negativen Schlagzeilen abgehandelt wird. Es entsteht der Eindruck, als kämen die Strafvollzugsbediensteten mit ihrer Arbeit nicht mehr zurande – wobei ich hier keine einzelnen Personen beschuldigen möchte, vielmehr handelt es sich um die Überforde­rung eines Systems; ganz zu schweigen von den Alarmmeldungen der Gewerkschaf­ten, was Personalmangel anlangt. Es gab auch andere Zeiten in Österreich, in denen wir uns der Herausforderung eines modernen Strafvollzugs stellten und zeitgemäße Reformen durchgeführt wurden.

Die vorliegende Vereinbarung spart die wirklich sensiblen Bereiche aus, weil die un­fassbaren, menschenunwürdigen Bedingungen in der Schubhaft und in den Polizei­anhaltezentren dadurch keinerlei Verbesserung erfahren. Ich brauche Ihnen da sicher nicht die schrecklichen Details zu schildern und die unwürdigen Vorkommnisse in die­sen Anstalten noch detaillierter auszuführen, aber einige muss ich doch erwähnen: Fa­milien werden auseinandergerissen, Hochschwangere werden isoliert, Menschen ohne Rücksicht auf ihre persönliche Geschichte und auf ihren Hintergrund zusammenge­pfercht. Das sind Zustände, die höchst bedenklich sind.

Ich gehe davon aus, dass Sie aus den Medien diese kurz angeführten Formulierungen zur Genüge kennen. Immer mehr Menschen, die, auf Gerechtigkeit und Freiheit hof­fend, nach Österreich flüchten, lernen unser Land als Erstes aus der Perspektive des Schubhaftgefängnisses kennen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Von welchem Land reden Sie, Herr Kollege?) – Von Österreich. Wir sind hier im österreichischen Bundesrat.

Die medizinische und psychologische Versorgung, soweit überhaupt vorhanden, ist in der Schubhaft eines westlichen Industrielandes wirklich unwürdig. Die Einschränkung der persönlichen Freiheit von Schubhäftlingen ist ein Skandal. Nur die auserwählten, das heißt unkritischen, NGOs – und ich glaube, da brauche ich auch keine Namen zu nennen; die Insider wissen, wen ich hier meine – erhalten Zugang zu den Haftanstal­ten.

Nun hat die Regierung mit der Verlängerung dieser Artikel-15a-Vereinbarung wieder eine kleine Überbrückungshilfe geschaffen. Viel lieber würde ich heute hier ein moder­nes Strafvollzugsgesetz diskutieren – und nicht wieder einen kleinen chirurgischen Ein­griff in ein hoffnungslos überfordertes und unmenschliches System. (Beifall bei den Grünen.)

18.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesministerin Dr. Berger. – Bitte.

 


18.51.38

Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich beziehe mich im Wesentlichen auf die zweite Artikel-15a-Vereinbarung, die heute auf der Tagesordnung steht. Tatsache ist – und das wurde ja von einigen Rednern ange­sprochen –, dass die Kosten für externe Krankenhausaufenthalte von Insassen von Justizanstalten in den letzten Jahren wirklich enorm und überproportional gestiegen sind. Der Aufwand ist vom Jahr 1999 bis zum Jahr 2007 um 144 Prozent gestiegen,


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