BundesratStenographisches Protokoll755. Sitzung / Seite 183

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wusst sein, dass er sicher kein gerechtes Strafverfahren bekommen wird, sondern er wusste, er geht in den Tod.

Und als letztes Beispiel sei der 20. Juli 1944 erwähnt. Da hat man sehr plastisch und eindrucksvoll gesehen, wie mit Menschen umgegangen wird, die gegen das Regime aufgetreten sind.

Daher ist diesen mutigen Menschen, die Widerstand geleistet haben, die die Gefahr in Kauf genommen haben, volle Anerkennung zu leisten. Somit ist die Tatsache, dass eine Erinnerungszuwendung zuerkannt wird, sicher ein symbolischer, aber unheimlich wichtiger Beitrag. Und ich hoffe, dass wir auch in Hinkunft diesen Personen weiterhin unsere Hochachtung ausdrücken. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

20.07


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach.

 


20.07.08

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Es tut mir leid, dass ich jetzt, in diesem Augenblick der allgemei­nen Übereinstimmung ein bisschen Unstimmigkeit hereinbringe.

Liebe Kollegin Blatnik! Ich schätze dich sehr, aber ich halte es nicht aus, wenn wir hier so tun, als würde diese Erinnerungszuwendung eine wahnsinnige Leistung darstellen. Es gibt noch zirka 3 300 Überlebende, denen wir spät, aber doch 1 000 € zukommen lassen. 1 000 €! Bei der Preislawine, die wir derzeit haben, ist das nicht einmal etwas, wo man sagen kann, ich habe etwas mehr, sondern bedeutet das vielleicht nur die Ab­deckung der Preislawine für ein Jahr.

Man spricht hier von 3 300 Menschen, möglicherweise sind es in der Phase dieser Ge­setzwerdung im Nationalrat und Bundesrat auch schon wieder weniger geworden. Es sind Menschen zwischen 80 und 100 Jahren, die hievon betroffen sind. Daher finde ich es nicht richtig, dass die Zuwendung nach dem Antragsprinzip erfolgt, wo doch alle Körperschaften und Fonds die Namen und Daten haben. Damit zwingt man 80- bis 100-Jährige jener Bevölkerungsgruppe, von der meine beiden Vorredner mit so großer Hochachtung gesprochen haben, einen Antrag zu stellen. Es wäre besser, wenn man ein bisschen mehr Achtung und Respekt vor dieser Gruppe gezeigt hätte.

Eines muss man immer dazusagen: Diese Gruppe ist viel zu spät bedacht worden. Wir hatten hier eine unsägliche Debatte über die Wehrdienstverweigerer, die nicht und nicht bedacht wurden, und darüber, dass man die Schergen von SS und Gestapo mit Pensionen und Sozialversicherungen bedacht hat. Und es hat Jahrzehnte gebraucht, dass zum Beispiel die noch lebenden Wehrdienstverweigerer, die jetzt Gott sei Dank auch diesen Tausender bekommen, und dass auch die Homosexuellen endlich in diese Gruppe hineinfallen.

Und jetzt legen wir für 3 300 Leute, deren Zahl wahrscheinlich jeden Monat geringer wird, ein Antragsprinzip fest. Da gibt es nichts, weswegen man sich auf die Schulter klopfen und mit großer Dramatik sagen könnte: Nie mehr vergessen!, und so weiter. – Wir haben sie vergessen! Wir haben die Leute, die Opfer waren, in dieser Republik so lange vergessen, dass dieser Tausender nahezu lächerlich wirkt. Wirklich, ich muss das ganz ehrlich sagen.

Natürlich stimmen wir dem zu, tausend ist besser als null, aber es ist nahezu lächer­lich. Und ich muss die Harmonie dieser Show hier stören, denn ich bin etwas erschüt­tert darüber, was hier gemacht wird.

 


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