BundesratStenographisches Protokoll756. Sitzung / Seite 34

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Weiters gibt es strukturelle Elemente, und da sind zwei davon hochinteressant, weil sie – und Agrarökonomen weisen darauf schon seit längerer Zeit mit Besorgnis hin – einen unmittelbaren Einfluss auf die Nahrungsmittelproduktion haben. Das Erste ist die Energieexplosion. Die Landwirtschaft ist eine energiereiche Produktionsart. Das Zweite ist der Umstand, dass seit 1999 die Düngemittelpreise in Österreich, in Europa und weltweit um 350 Prozent stiegen. Wir wissen, dass dann, wenn in der ökonomischen Struktur der Input, wie Düngemittel, sehr teuer wird, die Bauern bei schlechten Erzeu­gerpreisen – und das war bis letztes Jahr so – auf Dünger verzichten. Und nun haben wir seit 2000 das Phänomen, dass die Erträge in Europa und weltweit pro Hektar zu­rückgehen.

Weniger Input aus ökologischen Gründen ist wünschenswert und richtig, um es klar und deutlich zu sagen, führt aber, wenn ökonomisch bedingt, weil zu teuer, dazu, dass die Produktion zurückgefahren wird. Und jetzt, 2008, stehen wir erstmals vor der riesi­gen Herausforderung, dass international die Lager leer sind, dass viel weniger geerntet wurde – wegen katastrophaler Missernten gab es pro Hektar schlechtere Erträge – und dass nun die FAO dazu aufruft, alles in die Intensität der Landwirtschaft zu stecken, um weltweit die Ernährung sicherzustellen. Das ist eine große Herausforderung für uns!

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu stellen: Wer verdient an der Lebens­mittelpreisentwicklung? Sind das die Bauern, der Handel oder die Zwischenstufen, wie wird das aufgeteilt?

Wir haben in Österreich ein weiteres Phänomen – und dem muss man, Josef Kalina, auf den Grund gehen –: Kein anderes Land verkauft so viele Bioprodukte, die im Regal teurer sind als andere, wie Österreich. Wir hatten in Österreich schon 2007 zweistellige Prozentzuwächse beim Absatz von Bioprodukten. Das ist gut und super so. Diese Pro­dukte sind wesentlich teurer, werden aber trotzdem freiwillig im Regal gewählt.

Wird wirklich ernsthaft über Nahrungsmittelpreise diskutiert, wenn pro Jahr jeder Haus­halt Nahrungsmittel im Wert von 300 € in den Müll wirft? Das heißt: 300 € pro Jahr und Haushalt werden weggeworfen! Auch das ist ein Thema, das angesprochen werden muss.

Nächster Punkt: Leistbarkeit. Und da ist auch der Vergleich mit Deutschland interes­sant. – In der Frage der Leistbarkeit dürfen wir nicht die High-Level-Produkte im Biobe­reich als Preisstandard für die Allgemeinheit sehen, sondern müssen ins Regal schau­en, und dort werden wir zum Beispiel bei der Milch eine Wahlfreiheit zwischen 70 Cent und 1,10 € sehen. Und der Vergleich mit Bayern macht uns da sicher!

Bei Brot beispielsweise ist es so, dass die Deutschen und die Engländer und viele an­dere Europäer im Regal fünf bis zehn Sorten Brot vorfinden. In Österreich hingegen gibt es in einem mittleren Supermarkt fünfzig verschiedene Sorten Frischbrot im Ange­bot. Dass dann das Preisniveau ein durchschnittlich höheres ist, das ist ganz klar, denn dieser Umstand muss mit ins Treffen geführt werden. Aber trotzdem können auch bei uns die Konsumenten im Durchschnittssegment des Mischbrotes zu selben Preisen kaufen wie in ganz Europa. Da muss man mit wahren Fakten und Daten arbeiten, nicht mit Emotionen!

Noch eines zur Preisentwicklung: Wir erwarten für heuer weltweit eine sehr gute Ernte. Die ersten Ernteschätzungen lauten auf 650 Millionen Tonnen Getreide, also deutlich mehr als 2007. Infolgedessen sind die Preise für Weizen seit Anfang 2008 im Getreide­bereich von 300 € pro Tonne schon auf 220 € pro Tonne gefallen. Das heißt, die Preise im Agrarbereich sind auf Talfahrt. Und da heißt es nun, darauf zu achten, dass diese Entwicklung an den Konsumentenbereich durch Senkung der Preise weitergegeben


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