BundesratStenographisches Protokoll757. Sitzung / Seite 62

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Schichten, profitieren, können wir uns die hohen Kosten, die die Kompensation der mangelnden Schulbildung verursacht, ersparen.

Obwohl seit Jahren seitens der Wirtschaft ein Fachkräftemangel prognostiziert wird, hat die Bundesregierung keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen. Unterschiedliche Fakten tragen dazu bei, dass immer weniger Jugendliche einen Lehrberuf anstreben. Eine große Abschreckung besteht darin, dass das Prestige eines Lehrlings nicht gera­de ein hohes ist; das haben wir jetzt schon mehrmals gehört und andiskutiert. Ich selbst war auch Lehrling und habe das miterleben müssen; zum Glück nicht im eige­nen Betrieb, denn ich habe einen sehr guten, sehr engagierten Lehrherrn gehabt, der sich die Zeit genommen hat, mit mir zu lernen, mich auf die Prüfungen vorzubereiten, aber ich habe in der Berufsschule auch Kollegen und Kolleginnen in meiner Klasse ge­habt, die nicht dieses Glück hatten. Es gibt Betriebe, wo die Tätigkeit eines Lehrlings darauf beschränkt ist, Dinge wegzuräumen, hin- und herzutragen, und das schlägt sich dann natürlich auch in der Qualität der Ausbildung und am Wissensstand leider zum Nachteil des Lehrlings nieder.

Teilweise hat sich das leider Gottes auch in den Berufsschulen fortgesetzt. Als Lehrling war ich natürlich auch in der Berufsschule, wo meines Erachtens zu wenig Wert auf die pädagogische Ausbildung gelegt wird. Die BerufsschullehrerInnen werden ohne päda­gogische Qualifizierung eingesetzt. Diese können sie erst im Nachhinein oder im Zuge ihrer Tätigkeit nachholen. Der Berufsschullehrer ist aber nicht nur als Lehrer engagiert, sondern er ist auch Pädagoge und gleichzeitig als Erzieher tätig, weil die meisten Be­rufsschulen auch ein Internat haben. Daher greifen hier sozusagen drei Berufsdiszipli­nen ineinander, weshalb man auch auf die Ausbildung sehr großes Augenmerk legen sollte.

Um SpezialistInnen und erfolgreiche Fachkräfte in der Berufsschulausbildung zu be­kommen, müssen attraktive Angebote für die Profis geschaffen werden, damit sie ihr Know-how und ihr Fachwissen auch an die Lehrlinge weitergeben.

Eine Aufwertung der Lehre muss Hand in Hand mit einem respektvollen Umgang mit den Auszubildenden gehen. Für mich gilt generell: Wenn ich von jemandem Leistung und Einsatz verlange, muss ich dieser Person zumindest mit Respekt gegenübertreten. Wenn ich daran denke, wie mancherorts Lehrlinge behandelt werden – und da habe ich auch die Berufsschulen etwas in die Kritik mit hineingenommen –, dann muss ich sagen, wir sind derzeit leider Gottes noch diesem Anspruch fern. Ich hoffe, dass wir diesbezüglich noch einige Interventionen setzen können.

Mit einem Anreizsystem könnten Betriebe gefördert werden, die Lehrlinge ausbilden, die eine ausgezeichnete Leistungsbilanz vorweisen können. Dies gelingt aber nur dann, wenn wir optimale Ausbildungsvoraussetzungen vorfinden.

Problematisch ist die Ausweitung des Kombilohnsystems. Damit wurden in Deutsch­land keine guten Erfahrungen gemacht. Meist werden Arbeitsplätze im Niedriglohnsek­tor subventioniert. Profitieren tut in erster Linie jener Arbeitgeber, der im Vorhinein schon geringe Personalkosten hat, weil er einfach nicht mehr zahlen kann oder zahlen will. Die wenigsten Arbeitsverhältnisse, die mit Hilfe des Kombilohnsystems zustande kommen, können in Dauerarbeitsverhältnisse umgewandelt werden. Hier könnte man mit einer alten grünen Forderung nach einem Mindestlohn zumindest die gröbsten Missstände beheben.

Das zu beschließende Gesetz sieht vor, die Lehrlingsförderung aus dem Insolvenzaus­fallsfonds zu speisen. Ich halte das für eine suboptimale Lösung. Viel gerechter wäre es, einen Lehrlingsausbildungsfonds zu schaffen, in den jene Betriebe einzahlen, die zwar Fachkräfte beschäftigen, aber nichts oder nur sehr wenig zu deren Ausbildung beitragen.

 


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