BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 102

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man nicht übersehen, denn es gibt eine Lehrlingsentschädigung, und das ist eine finanzielle Leistung für die Arbeit, die man erbringt.

Der oder die Studierende bekommt für die Tätigkeit des Studierens, des Erwerbens von Wissen, jetzt einmal vorderhand noch keine Leistung als Gegenwert ausbezahlt. – Ich möchte das nur von der Tonlage her ein bisschen entemotionalisieren.

Ja, wir haben da eine Situation, die legistisch nicht wirklich ein Höhepunkt ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Jetzt wartet einmal! – Und trotzdem – ich denke, Herr Minister Hahn, Sie gehören ja zu den „jungen Wilden in der ÖVP“ (Heiter­keit des Bundesrates Gruber) – sollten Sie sich echt einmal Gedanken machen – und ich weiß, dass es Leute wie meinen Freund Andreas Schnider gibt, die sich lange Zeit auch gegen die Parteilinie Gedanken gemacht haben –, ob nicht dieser Verlust von 17 Prozent Marktanteil in Österreich prinzipiell etwas mit der Bildungspolitik insgesamt zu tun hat.

Wenn man über Jahrzehnte die Ohren und die Augen verschließt vor einer notwen­digen Reform im Schulsystem, die Notwendigkeit einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen negiert, die Warnungen einer allzu frühen sozialen Segre­gation der jungen Menschen nicht hört, wenn man das alles immer wegschiebt und letztlich eine Klientelpolitik vom Kindergarten bis zur Uni fährt, dann bleibt irgendwann einmal das Resultat oder die Rechnung über: 17 Prozent Marktwertverlust.

Und das ist eines unserer Hauptprobleme. Deshalb ist das Diktat der Studiengebühren auch so ein Symbol für eine falsche Weichenstellung geworden.

Aber ich sage Ihnen auch Folgendes ehrlich: Wenn es um die Prioritätensetzung bei der Entlastung der Familien in der Bildung geht, würde ich sofort eine andere Priorität setzen, nämlich dort, wo die Belastung am schmerzhaftesten ist: wo die jungen Familien, die sich gerade setteln und Kinder kriegen, diese enormen Kindergarten­beiträge zu zahlen haben. Ich halte das für noch stärker prioritär in der Entlastung im Bildungsbereich beziehungsweise in der Entlastung des Bildungsbereiches. Deshalb wäre mir da ein Linkage wesentlich wichtiger gewesen.

Aber diese Studiengebühren sind eben ein Signal für diese falschen Weichen­stellun­gen, die Ihre Partei, die ÖVP, in diesen letzten Jahrzehnten – leider!, sage ich, leider!, obwohl Sie auch Leute in Ihren Reihen haben, die eine andere Politik Ihrer Partei vorgeschlagen haben –, insbesondere in der Zeit der Vorgängerin von Herrn Minister Hahn, eine nach der anderen vorgenommen hat.

Meine Damen und Herren! Trotz der legistischen Mängel – da wird noch einiges an Arbeit erforderlich sein; allein der Aufwand dafür, dass man die Studiengebühren-Abschaf­fung mit 1. Jänner 2009 textiert hat und die Verwaltung jetzt wahrscheinlich ein Monat der Studiengebühren an alle Studierenden zurückzahlen muss, ist, glaube ich, nicht bedacht worden; ich weiß nicht, wie das passiert, dass da einige extrem schwere Rechenfehler enthalten sind; ein Volksschüler könnte das bewältigen, Abgeordnete des Nationalrates schaffen das offensichtlich nicht – ist es wichtig, dass wir heute die Abschaffung der Studiengebühren als eine neue Weichenstellung in eine richtige Richtung beschließen, denn die Akademikerrate in Österreich liegt bei 18 Prozent, in der OECD bei 25 Prozent, in Finnland und Schweden bei 34 Prozent, und – kommen wir in das irgendwie gefährlichste aller gefährlichen Länder – im komplett multikulturel­len Kanada bei 44 Prozent. 44 Prozent, meine Damen und Herren! (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Die Studiengebühren in Österreich haben nicht nur 2001 zu einem Rückgang der Studierendenzahlen geführt, sie haben nicht nur zu einer Form sozialer Ausgliederung geführt, sondern sie haben bis heute nur jenen Stand aufholen lassen, der 2001 ge-


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