BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 137

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Lieber Edgar Mayer, wir haben heute neue Fälle produziert, und – da komme ich mir jetzt schon wie ein Drehleierspieler vor – bei vielen Gesetzen, und gerade haben wir ein ganzes Bündel von Gesetzen beschlossen, wissen wir, dass wir Fälle um Fälle produzieren, und diese Gesetzesbereiche sind eigentlich klar identifizierbar. Dazu gehört der gesamte riesige Block des Fremdenrechts mit all seinen Facetten, ob das das Niederlassungsrecht ist oder jenes betreffend den Aufenthaltstitel, während der zweite große Block, der damit im Grunde, wenn auch nicht ganz, unter einem betrachtet werden kann, jener des Fremdenrechts ist.

Und es ist wiederum so: Wir haben hier einen extremen Zuwachs an Fällen, und bei jeder Diskussion über das Fremdenrecht, über Verschärfungen des Fremdenrechtes, weisen wir immer wieder darauf hin, dass hier soziale Härtefälle, dass hier Recht, das nicht gleich Recht ist, geschaffen wird. Und trotzdem, wider besseres Wissen, finden diese Gesetze eine Mehrheit – eine Mehrheit, lieber Kollege Mayer, die du heute bei anderen Punkten, bei denen du einmal in der Minderheit warst, beklagt hast.

Eines fällt schon auf: Zuerst haben wir, auch mit der Gründung des Asylgerichtshofes, den Verfassungsgerichtshof lahmgelegt, jetzt legen wir den Verwaltungsgerichtshof lahm, aber gleichzeitig wirkt die Behinderung des Verfassungsgerichtshofes weiter, weil dort ja noch riesige Rucksäcke voll abzuarbeiten sind, und zusätzlich wird die Volksanwaltschaft gestürmt. – Da kann doch etwas im System des Fremdenrechtes, wie wir es gesetzlich implementiert haben, nicht stimmen!

Es kann auch etwas im Zusammenhang mit einer Rechtsordnung nicht stimmen, wenn, um Recht zu bekommen, pausenlos Höchstgerichte angerufen werden müssen oder Instrumente der rechtlichen Kontrolle des Staates ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Müssen?! ... Entscheidung!) – Müssen! Ja, lieber Herr Kühnel! Sie wissen, dass Sie, um Ent­scheidungen, die Sie hier vollen Herzens mitgetragen haben, durchzusetzen und um den Rechtsstaat zu wahren und auch dessen Rechte einzufordern, nur diese Vorgangsweise haben.

Ein Umstand kommt mir immer wieder besonders „pervers“ vor, und ich habe das auch im Ausschuss gesagt, nämlich dass wir Menschen, die sich im Inland befinden, sogar über den großen Teich zurückschicken, damit sie dort den Antrag stellen, weil eine Antragstellung im Inland nicht möglich ist. Ich habe das erst letzte Woche bei einer Studentin aus Kolumbien gesehen, die bei den Salesianerinnen lebt, ein „Kloster­mädel“: Sie muss nach Bogotá zurück, nur um an der dortigen österreichischen Bot­schaft einen Antrag abzugeben! Das kostet Geld, das verursacht Verzweiflung, und es ist ein Unsinn, weil sie sowieso das Recht hat, danach hier herzukommen!

All diese Dinge zeigt die Volksanwaltschaft auf, und ich frage mich, wann diese vielen Vorschläge der Volksanwaltschaft auch gehört werden.

Edgar Mayer hat etwas gesagt, was ich mir erlaubt habe heute schon beim ersten Tagesordnungspunkt, jenem betreffend das Pflegegeld, anzureißen. Ja, dieser Bericht nimmt in großen Bereichen explizit zum Pflegegeld Stellung, und zwar insbesondere – und ich danke dir, lieber Edgar, dass du das gemacht hast, weil Vorarlberg dies­bezüglich eine Vorreiterrolle hat – was das Pflegegeld für die psychisch Kranken, für die geistig Behinderten und für die Kinder anlangt. Hier lesen wir es, und obwohl wir heute eine Änderung des Pflegegeldgesetzes beschließen, werden genau jene Be­reiche, die die Volksanwaltschaft als gravierendes Problem aufzeigt, auch heute nicht gelöst!

Meine Damen und Herren, in Österreich ist etwas enorm unterentwickelt, und deshalb erlaube ich mir, einmal mehr auf jenen Teil des Berichtes der Volksanwaltschaft hinzuweisen, der, wie ich finde, für das Rechtsbewusstsein und für die demokratische Kultur in diesem Land von ganz besonderer Bedeutung ist: Das ist der Grundrechtsteil,


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