BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 17

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ßen heute jedoch, dass die Republik dort, wo sie Anteile erwirbt, eigentlich ein Aktionär wird, aber ohne Stimmrecht. Der Herr Finanzminister wird an Gewinnen partizipieren, aber die Möglichkeit zu gestalten, Herr Finanzminister, haben wir nicht. Wir haben die Benchmark, die uns Europa vorgegeben hat, die uns die Deutschen und die Briten vorgeben, nicht erfüllt.

Aber wissen Sie, was mich in diesem ganzen Zusammenhang – und ich glaube, der Fi­nanzminister wird es aus einer früheren Perspektive verstehen – wirklich erschüttert? – In Europa alleine schaffen wir es, in so kurzer Zeit 2 000 Milliarden € aufzustellen. Wis­sen Sie, dass die gesamte Umstellung Europas auf erneuerbare Energie einen Bedarf von nur 80 Milliarden € hätte – zukunftsorientierte Arbeitsplätze, zukunftsorientiertes Wirtschaften, die tatsächliche Inangriffnahme der Klimakatastrophe? – 2 000 Milliarden für die Reparatur eines Casinospiels, für die Reparatur eines Finanzsystems, das längst alle Schranken verlassen hat!

Oder wissen Sie, dass es nach jüngster Berechnung – das habe ich mir jetzt ange­schaut – 45 Milliarden € kosten würde, den Hunger in der Welt zu beseitigen? Das sagt die UNO.

Dort, wo all die Gewinne und das Zocken privatisiert wurden und wir nun die Kosten sozialisieren – nämlich an die Steuerzahler –, schaffen wir es, in einer gemeinsamen Anstrengung 2 000 Milliarden € in wenigen Wochen zur Verfügung zu stellen, aber beim Klimaschutz, bei der Umstellung auf erneuerbare Energien sind 85 Milliarden nicht möglich, bei der Beseitigung des Hungers in der Welt sind 45 Milliarden nicht möglich. Aber die Pyramidenspiele und ihre Folgen oder, wie mittlerweile immer klarer wird, den Casinokapitalismus und dessen Auswirkungen zu bewältigen, das schaffen wir. – Und das ärgert! (Beifall der Bundesräte Kerschbaum und Dönmez.)

Es ist klar, Kollege Himmer, was wir jetzt brauchen, ist Vertrauen. Offensichtlich sind die Motive stärker, wenn es um das eigene Geld, um den eigenen materiellen Wohl­stand geht, den Herr Kneifel ganz klar hervorgehoben hat. Da werden ungeahnte Kräfte wach. Wenn es aber um eine Generationenverantwortung geht, wenn es darum geht, eine internationale solidarische Verpflichtung einzugehen, da schaffen wir nichts. Auch Österreich – das werden wir heute beim nächsten Tagesordnungspunkt bespre­chen – hat in Fragen seiner Verpflichtung bei der Entwicklungszusammenarbeit einmal mehr noch vor den 0,5 Prozent Stopp gemacht, obwohl Staatssekretär Matznetter für diese Legislaturperiode ein anderes Ziel versprochen hat.

Das Schlimme, Kollege Kneifel – du hast es ja selber schon angesprochen, und die Auswirkungen sehen wir ja heute –, ist, dass das Geld kein Tauschmittel mehr ist, sondern zum Wirtschaftsgut wurde – losgelöst von Produktion, losgelöst von Gütern. Der größte Sündenfall war mit Sicherheit die Aufkündigung des Bretton-Woods-Abkom­mens, wodurch dort, wo noch Stabilität vorhanden war – ich weiß schon, wir können nicht mehr zurück, denn es erfolgt eine Dynamisierung –, dort, wo wir es nicht verstan­den haben, eine Liberalisierung durchzuführen, die falsch verstandene Liberalisierung in eine völlige Deregulierung hineingegangen ist, und wir haben diesen Neoliberalis­mus geradezu angebetet. Das heißt, es hat nichts mehr mit den realen Werten und mit dem realen Schaffen der Menschen zu tun.

Noch schlimmer ist – und das merken wir jetzt –, dass die Menschen dieses Wirt­schaftssystem und dieses Finanzsystem nicht mehr verstehen. Es hat sich völlig ver­selbständigt. Die Kontrolle ist hilflos. Was wir brauchen, Herr Finanzminister – ich glau­be, Sie haben es selber angesprochen, und man kann und soll das ja auch durchaus sagen; ich glaube, Sie waren einer der Ersten, die es gesagt haben –, was wir brau­chen, ist eine europäische Finanzmarktaufsicht. Wir brauchen sie wirklich, und es ist notwendig, dass sie effizient ist.

 


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