BundesratStenographisches Protokoll761. Sitzung / Seite 18

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Man kann nicht alles liberalisieren und sagen, die Kontrolle können wir dann ein biss­chen auf die Nationalstaaten abladen, so wie jetzt auch die Kosten aus den nationalen Budgets gedeckt werden. 100 Milliarden, liebe Leute, das ist viel Geld, und es ist die Frage: Was davon wird schlagend, und was davon wird gar nicht realisiert werden in diesem Land? Da mache ich mir Sorgen, dass dann wieder genau jene ambitionierten Ziele, die wir zum Beispiel zur Erreichung der Vorgaben des Kyoto-Abkommens haben sollten, unter den Tisch fallen, wenn es heißt, wir müssen die Konjunktur beleben.

Wie schaut denn die banale Konjunkturbelebung an sich in Österreich aus? Straßen bauen, ein bisschen Flughafen ausbauen, asphaltieren und betonieren. (Bundesrat Perhab: Was die Grünen nicht verhindern können!) Das kann es ja bitte nicht sein, dass genau das dann auf der Strecke bleibt. – Nicht jede grüne Krawatte macht ein grünes Herz, Herr Kollege! (Heiterkeit. – Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.) Dazu erwarte ich mir von unserem amtierenden Finanzminister schon eine klare Aussage.

Kollege Kneifel und Frau Präsidentin Zwazl, das, worüber ich mir in den nächsten Wo­chen wirklich große Sorgen mache – und das ist jetzt kein Scherz an euch beide gerichtet –, das ist die entscheidende Frage: Wie geht es den KMUs? Den KMUs, denen derzeit die Trauben höher und höher gehängt werden und die nun wirklich in die Krise kommen – nämlich die, die reale Arbeit geleistet haben und sich nicht an den Pyramidenspielen und am Casino-Kapitalismus beteiligt haben. Was geschieht mit den KMUs? 

Bezüglich der KMUs haben wir – was leider nicht die Mehrheit im Nationalrat gefunden hat – ein dreijähriges Moratorium bei der Aufkündigung von Krediten vorgeschlagen. Dass es den KMUs jetzt nicht gut geht, das ist klar.

Herr Finanzminister, mich hat das Abstimmungsverhalten in den letzten Tagen vor der Wahl gewundert – Sie vielleicht nicht, aber mich hat es gewundert. Und da muss ich jetzt die Kollegen in der linken Reichshälfte anschauen: Euer Abstimmungsverhalten vor der Wahl hat mich wirklich zutiefst verwundert. Da hätte nämlich die Chance be­standen, eine Finanztransaktionssteuer als ein wichtiges Element zu beschließen. Ich meine, eine europäische FMA ist gut, denn die Derivate, die da ununterbrochen er­funden wurden, versteht eigentlich niemand mehr, und die Kontrolle schon überhaupt nicht. So viele Derivate, wie es pro Woche am Finanzmarkt gibt, das kann eigentlich überhaupt niemand mehr verstehen. Ich habe einmal jemanden von einem sehr re­nommierten Institut gefragt: Was sagst du denn dazu? Darauf hat er mir gesagt: Ich verstehe das nicht mehr. Es scheint intelligent zu sein, aber was da rauskommt, nicht; das ist entweder high risk oder enorm profitabel.

Aber was wir gebraucht hätten – und da haben die Abgeordneten der SPÖ nein ge­sagt –, das ist eine Finanztransaktionssteuer. Genau das wäre ein Baustein gewesen, an dem man jetzt weiter arbeiten könnte. Die Börsenumsatzsteuer, Spekulationssteuer, all diese Punkte sind jetzt ein Gebot der Stunde. Und da möchte ich den Chefredakteur der katholischen „Furche“, Claus Reitan, zitieren, der meint, es ist eine verkehrte Welt: Nicht das Wirtschaften dient uns, sondern wir dienen dem Wirtschaften. Eine unver­ständliche Welt.

Wir müssen wieder dorthin zurückkommen – und da nehme ich gerne Anleihe bei den pathetischen Worten vom Kollegen Kneifel –, dass das Wirtschaften oder auch das Finanzsystem uns dient beziehungsweise das Finanzsystem dem Wirtschaften dient und dass das nicht voneinander losgelöst ist.

Ich hätte mir gewünscht, dass wir heute hier einem Beschluss zustimmen – von Her­zen zustimmen! können, der auch Giftzähne hat, der auch wirklich europäisches Ni-


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