BundesratStenographisches Protokoll763. Sitzung / Seite 66

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Ich als Theologe weiß, dass Weihrauch nur unter zwei Voraussetzungen verwendet wird: erstens, wenn es um eine Beziehung zwischen Gott und den Menschen geht, und zweitens – wenn schon eine Inzens, wie man sagt, gemacht wird –, wenn etwas Heiliges und Wichtiges passiert. Jetzt wird sich jeder fragen, was dann ein „Regie­rungs­weihrauch“, ein Regierungspapier und eine Regierungserklärung sei. – Das hat sehr viel damit zu tun, was ich dann im Anschluss dazu sagen möchte.

Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass ein Regierungsprogramm kein Regiebuch ist. Ein Regierungsprogramm ist auch kein Businessplan. Ich glaube vielmehr, dass ein Regierungsprogramm ein Entwurf ist, eine erste Skizze dazu, wie man es in den nächsten fünf Jahren angeht. Und eine Regierungserklärung sind die Erläuterungen dazu, wie politisches Handeln, politische Handlungen, Pläne und Absichten in Zukunft aussehen. Ich denke, wir sollten am Anfang dieser fünf Jahre miteinander sehr offen und – ich sage es bewusst – sehr offenherzig, sehr kritisch und auch sehr selbstkritisch umgehen.

Wenn ich den Blick auf dieses Regierungsprogramm richte, so wird für mich von Anfang an sehr deutlich, welche Zusammenhänge wichtig sind und bestehen. Ein solcher Zusammenhang wurde heute schon als Grundprinzip angesprochen, und ich muss ehrlich sagen, dass wir da – wenn ich so sagen darf – christdemokratisch und sozialdemokratisch einen gemeinsamen Aufhänger gefunden haben, nämlich: Der Mensch steht in der Mitte. Das war eine der ersten Aussage heute Vormittag, und da gilt es auch anzusetzen.

Ob es um die Themen Armutsbekämpfung, Familie, Beschäftigung geht, bis hin zur Debatte über die Spenden: Es muss letztlich um den Menschen gehen. Das heißt, es ist bei uns für die nächsten fünf Jahre immer die Frage zu stellen: Steht wahrlich der Mensch in der Mitte – unabhängig davon, woher er kommt, was er für eine Herkunft hat und, und, und? Das ist ein Prinzip, das ich gerade in diesem Regierungsprogramm für sehr positiv halte und heute auch schon oftmals gehört habe.

Zweitens meine ich, dass wir es gemeinsam angehen müssen; auch das zeigt sich sehr deutlich. Mir ist durchaus klar, dass das Regierungsprogramm kein Partei­programm ist, sondern dass der Entwurf ein gemeinsamer Nenner ist. Mehr sehe ich dahinter nicht. Nur muss uns auch klar sein – Herr Bundesrat Konecny hat es angesprochen, und ich möchte mich ihm da voll und ganz anschließen –: Bei all dem, was wir gemeinsam haben, dürfen wir es nicht vernachlässigen, uns gerade auch im Parlament gut zu überlegen, wie wir angesichts der einen oder anderen Differenz miteinander umgehen.

Ich denke, dass die Menschen sich ein Doppeltes erwarten: eine neue Politik, was auf der einen Seite unseren Umgang miteinander angeht, andererseits aber auch, was den Umgang mit den Konflikten und Differenzen betrifft. Ich glaube nicht, dass sich die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass unsere parlamentarische Politik daraus besteht, dass der eine etwas sagt, und der andere sagt es auch, weil er meint, es sei ohnehin alles immer das Gleiche, sondern sie erwarten sich, dass wir gut überlegen. Ich sage immer: Wenn man einander mag, dann weiß man auch, wie man in Konflikt­situationen miteinander umgeht, und versteht es auch, bestimmte Differenzen öffent­lich anzusprechen.

Da mein steirischer Kollege Franz Perhab das schon angesprochen hat, möchte ich schon auch sagen: Ich glaube – und das halte ich auch für sehr wichtig –, dass es in der Regierung auch möglich ist, seine Skepsis zu äußern, denn – das möchte ich hier als steirischer Mandatar sehr klar und deutlich sagen – es ist wichtig, dass Skepsis und ein skeptischer Blick auch in der eigenen Regierung, im eigenen Team zugelassen werden.

 


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