BundesratStenographisches Protokoll766. Sitzung / Seite 34

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tarium die Arbeitsplätze zu schützen und zu verhindern, dass die Arbeitsnehmer noch mehr unter Druck kommen. Die Folgen der Wirtschaftskrise sind überall spürbar. Immer mehr Menschen arbeiten in Kurzarbeit, die Zahl der Arbeitsuchenden steigt. Im Dezember waren es 22 000 mehr – und ich betone: 22 000 mehr  als im Vorjahr. Im Jänner waren es bereits 34 000 mehr. Die Wirtschaftsforscher schätzen im Jahres­schnitt einen Anstieg von 42 000. Die Entscheidung darüber, ob die Übergangsfristen fallen oder nicht, liegt bei uns Österreichern, vor allem aber auch bei Österreichs Politikern.

Gerade in dieser wirtschaftlich schwierigen Situation müssen wir verhindern, dass die Arbeitnehmer noch mehr unter Druck kommen und eine Spirale aus Lohn- und Sozialdumping entsteht. Diese Gefahr ist sicher gegeben. Eine Öffnung des Arbeits­marktes würde die Arbeitnehmer noch mehr unter Druck setzen, als Erstes jene, die es auf dem Arbeitsmarkt ohnehin schon schwer haben, die Jungen, die Älteren und die bereits früh zugewanderten Arbeitnehmer. Gerade jetzt ist es am Wichtigsten, alles zu tun, um die Arbeitsplätze zu schützen. Die Übergangsfristen sollen voll ausgeschöpft werden und bis Ende April 2011 gelten.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, nicht unbeachtet lassen möchte ich den Aspekt Arbeitslosengeld. Ein höheres Arbeitslosengeld wäre jetzt auch eine wichtige Konjunkturstütze und ist sozialpolitisch leider längst überfällig, weil immer mehr Men­schen in Österreich als Opfer der Krise ihren Arbeitsplatz verlieren oder in Kurz­arbeit geschickt werden. Für sie bedeutet das zumeist eine nur schwer auszu­gleichende Einkommenseinbuße, weil die Kosten des täglichen Lebens wie Miete, Wohnbau­kredite, Ausbildungskosten für die Kinder ja unvermindert weiterlaufen. Das reduziert sich deswegen ja nicht. Die Regierung soll also rasch das Arbeitslosengeld auf ein in der EU übliches Niveau anheben.

In Österreich sind Arbeitsuchende schlechter abgesichert als in den meisten anderen vergleichbaren EU-Ländern. (Bundesrat Perhab: Von 27 EU-Ländern?) So beträgt die Ersatzrate des Arbeitslosengeldes nur 50 bis 55 Prozent des vorherigen Nettoeinkom­mens. In den nordeuropäischen Ländern, geschätzter Kollege, beträgt sie bis zu 90 Pro­zent, was mir persönlich sehr hoch vorkommt, in Deutschland immerhin 60 Prozent. Hiezu kommt, dass sich die reale Kaufkraft des Arbeitslosengeldes in den letzten Jahren – und das wissen wir alle – massiv verschlechtert hat. So beträgt das durchschnittliche Arbeitslosengeld im Oktober 2008 real um 7 Prozent weniger als im Jahre 2000. Und diese Entwicklung sollte man nicht unkommentiert hinnehmen, wenn immer mehr Arbeitnehmer Opfer der Krise werden und die Arbeitslosigkeit in manchen Branchen zuletzt dramatisch ansteigt.

Ende Jänner sind die Arbeitslosenzahlen zum Beispiel bei Leiharbeit und in der Sach­güterproduktion um 32 beziehungsweise 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr ange­stiegen. Was wir jetzt brauchen – das ist meine bescheidene Meinung –, ist eine bessere finanzielle Hilfe für die Menschen, die ihre Arbeit verlieren oder eben in die besagte Kurzarbeit gehen müssen, denn sie profitieren von der geplanten Steuer­senkung gar nicht oder nur in einem geringen Ausmaß. Auf diese Menschen einfach zu vergessen ist nicht nur sozial unvertretbar, sondern auch wirtschaftspolitisch völlig falsch.

Auch die Wirtschaftsforscher weisen immer wieder darauf hin, dass eine Einkommens­anhebung für diese Gruppen praktisch zur Gänze in den Konsum fließt und die Inlandsnachfrage erhöht. Damit wäre eine solche Maßnahme auch eine wirksame konjunkturpolitische Hilfe, von der nicht nur unmittelbar Betroffene, sondern alle profitieren, ich betone: alle. Ich würde mir daher von der Regierung wünschen, dass sie so viel soziales Empfinden und wirtschaftlichen Sachverstand aufbringt, dass sie das Arbeitslosengeld rasch auf ein in der EU übliches Niveau anhebt.

 


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