BundesratStenographisches Protokoll766. Sitzung / Seite 48

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Ich verweise in diesem Zusammenhang darauf, dass sich auch der Niederöster­reichische Landtag am 22. Jänner 2009 mit einer Entschließung dafür ausgesprochen hat, die Frist für das Einlangen der Briefwahlkarten generell auf den Wahltag vor­zuverlegen.

Angesichts der in drei Monaten stattfindenden EU-Wahl standen wir bezüglich dieser Gesetzesvorlage natürlich unter einem großen Zeitdruck, und daher kommt es bei uns heute sozusagen zu einer vorgezogenen Beschlussfassung. Wie in anderen derartigen Fällen der letzten Monate ist das zwar für sich allein verständlich, in Summe jedoch bildet sich dadurch eine fremdbestimmte Sitzungsplanung heraus, die auch aus der Sicht der Länder nicht wünschenswert sein kann.

Gestern haben wir erfahren, dass dieser Nationalratsbeschluss vom vergangenen Donnerstag heute hier bei uns im Bundesrat behandelt werden soll. Es liegt auf der Hand, dass dabei eine politische Koordination mit den von solchen Änderungen mittelbar und maßgeblich betroffenen Landtagen nicht in ausreichender Form möglich ist. – Die Landtage sind ja davon insoweit mitbetroffen, als sie die Wahlgesetze für Landtag und Gemeinderäte entsprechend anzupassen haben.

Dabei kritisiere ich gar nicht, dass es in diesem Fall kein Begutachtungsverfahren gegeben hat – wohl auch nicht geben konnte –, weil ich aus meinem Land und aus eigener Erfahrung weiß, dass gerade das Innenministerium die Ämter der Landes­regierungen in einer für andere Ressorts beispielgebenden Weise frühzeitig einbindet und die Dinge im Dialog mit den Fachleuten vor Ort entwickelt.

Nun möchte ich mich kurz mit zwei Aspekten der Ablehnung der Briefwahl auseinan­dersetzen.

Zunächst möchte ich den Vertretern der FPÖ als einziger sogar Verbesserungen der Briefwahl ablehnenden Gruppe in Erinnerung rufen, dass Ihre Partei, die FPÖ, im Vorarlberger Landtag bereits vor acht Jahren gefordert hat, den Ländern die Ein­führung der Briefwahl zu ermöglichen, und die FPÖ im Vorarlberger Landtag hat erst im November 2008 einen Antrag gestellt, in dem, ziemlich deckungsgleich, jene Änderungen gefordert wurden, die jetzt umgesetzt wurden. Der Landtag hat das auch so beschlossen.

Verschiedentlich wird ja die Briefwahl aus der Sorge heraus abgelehnt, dass dabei das Wahlgeheimnis und die unbeeinflusste Wahl nicht gewährleistet seien. – Nach diesem strengen Maßstab dürfte es aber auch bei behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürgern keine Stimmabgabe durch Vertrauenspersonen geben, weiters keine Wahlkom­mis­sionen am Krankenbett und auch keine Wahlteilnahme von im Ausland lebenden Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern, weil auch da bei Gesetzesverletzungen, die unter Strafsanktion stehen, potenzielle Missbrauchsmöglichkeiten gegeben sein könnten.

Es ist bemerkenswert, dass wir bei zahlreichen Wahlen auch in Österreich schon längst eine Briefwahl hatten, etwa bei den Betriebsrats- und Personal­vertretungs­wahlen und bei Wahlen in andere Interessensvertretungen, ohne dass es da zu geltend gemachten Missbräuchen gekommen wäre.

Interessant ist auch, dass die Briefwahl in Europa schon viele Jahre zurück eher die Regel als die Ausnahme ist und auch aus diesen Ländern keine Kritik derartigen Ausmaßes bekannt ist. In Liechtenstein wurde kürzlich der Landtag neu gewählt. Da haben 80 Prozent der Wählerinnen und Wähler völlig kritiklos von der Briefwahl Gebrauch gemacht. Auch in der Schweiz gibt es verschiedentlich schon eine solche Nutzungsintensität.

 


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