BundesratStenographisches Protokoll769. Sitzung / Seite 97

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

sagen vor den Behörden, zu Sozialmissbrauch und zu Erschleichung von Aufenthalts­titeln führt. Es gibt also etliche Einzelelement-Tatbestände: Zuerst sagt er einmal, er weiß überhaupt nicht, wer er ist, dann heiratet er eine Österreicherin, hat aber plötzlich einen Pass, dann besorgt er sich einen Führerschein oder meldet ein Auto an, unter ganz einem anderen Namen.

Unter Umständen lässt er sich auch noch in einem Krankenhaus mit einer e-card, die nicht ihm gehört, behandeln. Das ist ein Phänomen, das uns im Asylbereich zuhauf be­gegnet, um den Behörden die Arbeit möglichst schwer zu machen.

Wir haben bereits jetzt in den unterschiedlichen Gesetzen Tatbestände drinnen: Die Verwendung einer gefälschten e-card ist selbstverständlich im Sozialversicherungs­recht ein Delikt, und die Erschleichung eines Aufenthaltstitels ist natürlich strafbar. Aber wir haben die einzelnen Strafbarkeiten zersplittert in einer Fülle von Gesetzen und nicht als einen Tatbestand mit unterschiedlichen Merkmalen, mit unterschiedli­chen Strafqualifikationen, je nach Schadenshöhe, die man verursacht, im Strafgesetz­buch. Weil sich jetzt der Urkundenmissbrauch, der Betrug als solcher, die Erschlei­chung des Aufenthaltstitels, die Verwendung von falschen Ausweisen, alles eher zer­splittert in den unterschiedlichen Materiengesetzen findet, kommt es auch zu keinen Anzeigen. Weil die Ärzte sagen: Na gut, die Krankenkasse zahlt das eh, wem die e‑card jetzt wirklich gehört, ist uns eigentlich egal!, oder die Kfz-Behörde sagt: Na ja, der hat einen Ausweis vorgelegt, und auf den Namen melde ich das Auto jetzt an; auf wen es angemeldet ist, ist ja dann wurst!, wird eben auch keine Anzeige erstattet.

Eine Ärztin in Vöcklabruck hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass sich jemand mit der e-card behandeln ließ, der laut dieser ein Dialysepatient mit nur einer Niere war. Gekommen ist aber einer, der, was seine Nieren angeht, pumperlg’sund war – er wollte sich den Meniskus operieren lassen! Diese Ärztin sagte: Tut doch etwas, diese Schwindlereien sind gang und gäbe. – Ich bin dann zur Behörde gegangen, und dort hat man mir gesagt: Ja, den kennen wir schon! Der wird bei uns unter Aliasnamen A, B, C, D geführt, je nach Behörde.

Aus Datenschutzgründen ist ein Behördenaustausch bezüglich der Daten sehr schwie­rig. Daher habe ich vorgeschlagen, all diese Straftatbestände, die sich jetzt schon in Nebengesetzen oder im Materienrecht befinden, aber unter dem Phänomen „Identitäts­betrug“ subsumierbar sind, zu einem einheitlichen Straftatbestand zusammenzufas­sen und ins Strafgesetzbuch zu geben, damit ein Unrechtsbewusstsein darüber ent­steht, denn derzeit haben die Menschen kein Unrechtsbewusstsein dafür! (Beifall bei der ÖVP.)

Dass sich die Richterschaft und die Experten aus dem Justizressort sofort kritisch zu Wort gemeldet haben, das bin ich, die ich 14 Jahre lang Justizsprecherin war, ge­wohnt. Das haben sie uns nämlich beispielsweise auch bei der Genitalverstümmelung erzählt. Auch bei der Genitalverstümmelung waren wir der Auffassung, wir brauchen einen eigenen Tatbestand, damit Unrechtsbewusstsein dafür entsteht. Die Experten haben gesagt: Na, ist eh Körperverletzung, da brauchen wir nichts Neues! – Wir haben es gebraucht, und ich halte das auch für richtig, um ein Unrechtsbewusstsein zu schaf­fen, denn man soll den österreichischen Behörden durch Identitätsbetrug nicht auf der Nase herumtanzen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es müssen sich auch diejenigen, die zu uns kommen und bei uns bleiben wollen, an unsere Rechtsordnung halten, und das heißt eben nun einmal: Man muss sagen, wer man ist, und nicht mehrere Identitäten bei den Behörden unterschiedlicher Art ange­ben, und man muss mit den Behörden kooperieren, wenn es um Ermittlungsverfahren geht, und nicht permanent verschleiern und – sage ich jetzt einmal – die Dinge mög­lichst so darstellen, dass die Behörde nicht effizient arbeiten kann.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite