BundesratStenographisches Protokoll770. Sitzung / Seite 64

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geordnete Tätigkeiten eingesetzt werden können, nicht aber in der Rechtsprechung selbst.

Eine weitere Partei befürchtet wiederum, dass der Rechtspfleger im gesamten Bereich der Justiz eingesetzt werden kann, und begründet das mit dem Argument, wer könne garantieren, dass der Rechtspfleger, der nicht entsprechend ausgebildet ist, nicht auch auf der Richterbank sitzt.

Ich meine, dass diejenigen, die diese Argumente ins Treffen geführt haben, sich mit dem Gesetz nicht sehr intensiv auseinandergesetzt haben, weil da eigentlich schon einige Regelungen vorweggenommen werden.

Schauen wir uns einmal den Beruf beziehungsweise den Stand des Rechtspflegers an! – Es werden jetzt schon ungefähr 80 Prozent der Entscheidungen am Bezirksge­richt von Rechtspflegern getroffen. Es gibt in den österreichischen Bezirksgerichten rund 700 Rechtspfleger.

Was ist der Rechtspfleger eigentlich, und wie wird er ausgebildet? – Wenn man sich das genauer anschaut, dann braucht man solche Aussagen, wie sie im Nationalrat ge­macht wurden, nicht weiter zu kommentieren.

Neben den Richtern erfüllen Rechtspfleger, also speziell ausgebildete Gerichtsbeamte, genau definierte Tätigkeiten. Die Institution des Rechtspflegers wurde geschaffen, um die Richterschaft zu entlasten und um sicherzustellen, dass auch Verfahren im Zivil­recht in einem absehbaren Zeitraum abgearbeitet werden können.

Bereits im Jahr 1962 wurde der Beruf des Rechtspflegers in der Bundesverfassung verankert. Im Artikel 87a Bundes-Verfassungsgesetz wurden die Rahmenbedingungen für die Rechtspfleger geregelt. Einer der wichtigsten Punkte ist der, dass der Rechts­pfleger an die Weisungen des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richters ge­bunden ist. Dieser Richter kann sich jederzeit die Erledigung von Fällen vorbehalten oder diese Angelegenheiten an sich ziehen.

Die Rechtspfleger üben verschiedene Tätigkeiten aus. 40 Prozent ihrer Tätigkeit entfal­len auf Grundbuchangelegenheiten, 5 Prozent auf Firmenbuchangelegenheiten, 26 Pro­zent auf Außerstreitangelegenheiten und 35 Prozent auf Exekutionsangelegenheiten. Man möge sich einmal vorstellen, wie lange die Erledigung eines Falles dauern würde, wenn die Richter dies alles selbst machen müssten!

Ungefähr 80 Prozent der Geschäftsfälle in Rechtsangelegenheiten in den Bezirksge­richten werden bereits von Rechtspflegern und nur 20 Prozent von Richtern erledigt.

Wer meint, dass die Rechtspfleger nicht ordentlich oder rechtmäßig entscheiden könn­ten, der sollte sich einmal die Ausbildung eines Rechtspflegers genauer anschauen.

Ein Rechtspfleger muss eine Matura beziehungsweise eine Beamtenaufstiegsprüfung bestanden haben. Nach einer erfolgreich abgelegten Beamtenaufstiegsprüfung ist ein mindestens achtjähriges Beamten-Dienstverhältnis notwendig. Ein Anwärter für den Rechtspflegerberuf muss zuerst einmal einen Eignungstest machen. Erst dann, wenn dieser Eignungstest erfolgreich bestanden wurde, wird er zur Ausbildung zugelassen. Dann beginnt eine insgesamt vier Jahre dauernde Ausbildung. Ich betone: Vier Jahre wird man zum Rechtspfleger ausgebildet! Der Rechtspfleger wird in den Sparten Zivil­recht, Strafrecht, Exekutionsrecht und Außerstreitrecht eingesetzt und erlernt dort sein Handwerk. Wir haben beim Rechtspfleger schon jetzt auch eine Ausbildung im Straf­recht, allerdings wird er derzeit noch nicht zu Tätigkeiten in diesem Rechtsbereich her­angezogen.

Der Rechtspflegeranwärter absolviert Lehrgänge, und zwar insgesamt drei, er hat kom­missionelle Prüfungen abzulegen, und zwar nicht eine, sondern mehrere, die immer


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